Luftverkehr leidet unter hohen Abgaben und Bürokratie
Berlin: (hib/HLE) Die deutsche Luftverkehrsbranche hat massive Nachteile im Wettbewerb mit ausländischen Standorten und Fluggesellschaften durch überhöhte Steuern, Gebühren und eine zu starke Bürokratie beklagt. Zwar sei das Ziel einer Klimatransformation der Luftfahrt unabdingbar, aber die Transformation könne nur gelingen, wenn eine Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit sowie sozialen Fortschritt und Investitionskraft miteinander vereinbaren könne, erklärte Matthias von Randow vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Tourismus am Mittwoch. In der von der Vorsitzenden Jana Schimke (CDU) geleiteten Anhörung ging es um Konzepte für einen nachhaltig resilienten kundenfreundlichen Flugreiseverkehr.
Laut von Randow steht die Branche im Wettbewerb mit Unternehmen, die keine Arbeits- und Sozialstandards nach europäischem Verständnis hätten, die keine Emissionszertifikate erwerben müssten sowie keine Verpflichtung zum Tanken eines teuren klimaneutralen Kraftstoffs hätten. Da diese Unternehmen Flugreisen viel kostengünstiger anbieten könnten, würden Passagierströme aus Europa immer stärker abwandern. Dies gelte insbesondere für die Reiserouten zwischen der EU und Asien. Dieser Trend habe sich nach der Pandemie noch verstärkt. Immer öfter würden Passagiere mit nicht-europäische Fluggesellschaften über Drehkreuze am Bosporus und am Persischen Golf fliegen. 2010 seien bereits seit 38 Prozent der Passagiere aus Deutschland über diese sogenannten Non-EU-Hubs umgestiegen. Bis 2019 sei der Anteil auf 49 Prozent gestiegen und betrage inzwischen sogar 55 Prozent. In Deutschland sei dagegen ein massiver Einbruch der Zahl der Flüge zu europäischen Wirtschaftsmetropolen wie Madrid, London oder Mailand zu verzeichnen. Die durch die Pandemie entstandenen Rückgänge hätten nicht wieder aufgeholt werden können. „Das ist dramatisch“, so von Randow.
Die Flughafenstandorte in Deutschland würden zu einer jährlichen Bruttowertschöpfung von 27 Milliarden Euro beitragen, sagte Ralf Beisel von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen. Die Pandemie habe zu einer existenzbedrohenden Herausforderung geführt. Die damals erlittenen Rückgänge seien bisher aber nicht wieder aufgeholt worden, während in Nachbarländern das Luftverkehrsaufkommen bereits die Bestmarken des Vorkrisenniveaus erreiche. Beisel kritisierte besonders die hohen Kosten für die Flughäfen und den Luftverkehr. Speziell nannte er die im europäischen Vergleich deutlich höheren staatlichen Abgaben wie Luftverkehrsteuer, Luftsicherheitsgebühren sowie Flugsicherungsgebühren. Europäischen Flughäfen außerhalb Deutschlands seien diese Abgaben entweder unbekannt oder sie seien deutlich niedriger. „Wir kriegen Knüppel zwischen die Beine geworfen“, so Beisel.
Von einer überproportionalen Kostensteigerung durch staatliche Gebühren berichtete auch Rainer Schwarz (Flughafen Münster/Osnabrück). Die „ungebremste Regulierungswut“ erzeuge eine Bürokratisierung der Flughafenprozesse und nicht mehr kompensierbare Kostenbelastungen. So müsse der Flughafen Münster/Osnabrück zur Erfüllung der nationalen Auflagen in Umsetzung der Vorschriften der europäischen Agentur für Flugsicherheit sechs Mitarbeiter einstellen. Laut Schwarz hatte der Flughafen Münster/Osnabrück durch die Pandemie einen Umsatzverlust von 80 Prozent. Nach Corona wäre man zufrieden gewesen, wenn sich die politisch gesetzten Rahmenbedingungen nicht permanent verschlechtert würden. Leider sei dies jedoch nicht der Fall.
Stefan Berndes vom Bundesverband der Luft- und Raumfahrtindustrie verwies darauf, dass der passagierspezifische Kraftstoffverbrauch in den letzten 30 Jahren um circa 50 Prozent gesenkt worden sei. Die neue Generation von Verkehrsflugzeugen sei wesentlich effizienter. Wie andere Branchenvertreter schlug auch Berndes vor, die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer für Forschung und klimaverträgliche Technologien einzusetzen.
In den letzten 20 Jahren habe es in der Branche ein massives Lohndumping gegeben, berichtete Sven Bergelin (Gewerkschaft Verdi). Durch die Pandemie sei es zur Abwanderung von Arbeitskräften gekommen. Als eines der größten Probleme im Luftverkehr bezeichnete Bergelin den allgegenwärtigen Personalmangel in nahezu in allen Bereichen des Luftverkehrs. Dies sei der Hauptgrund für lange Wartezeiten, unzuverlässige Gepäckbeförderungen, Verspätungen und Flugausfälle. Bergelin sprach sich für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Luftverkehr aus. Als eine Möglichkeit nannte er die Elektrifizierung der Vorfeldfahrzeuge, wodurch die Feinstaubbelastung der Beschäftigten minimiert und bei Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien klimaschädliche Emissionen vermieden werden könnten.
Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) verlangte, auch die negativen Folgen des Flugverkehrs in den Blick zu nehmen. Denn Fliegen belaste das Klima und verursache Lärm. Kein anderes Verkehrsmittel verursache pro Personenkilometer mehr CO2. Angesichts der hohen Klimawirksamkeit des Fliegens sei es unverständlich, dass der Luftverkehr nach wie vor zahlreiche Steuerprivilegien genieße. Diese Steuerprivilegien des Luftverkehrs seien schrittweise abzubauen. Grünes E-Kerosin müsse in der Luftfahrt gefördert werden und nicht im Straßenverkehr. Denn im Straßenverkehr stehe mit dem Elektroantrieb eine bessere und effiziente Lösung zur Verfügung.
Über Schlichtungen als Beitrag zum kundenfreundlichen Flugverkehr berichtete Christof Berlin von der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. Seit 2014 seien bei der Schlichtungsstelle rund 200.000 Schlichtungsanträge von Flugreisenden eingegangen. In neun von zehn Fällen sei es zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen Passagieren und Fluggesellschaften gekommen. Berlin sprach sich für bessere Hinweise durch Fluggesellschaften auf die Schlichtungsstelle aus. Reisende würden sich oft aus Unkenntnis an provisionspflichtige „Claim Companies“ wenden.