Reform des Petitionswesens: Expertin fordert mehr Dialog
Berlin: (hib/HAU) Über Ideen zur Reformierung des Petitionswesens hat sich der Petitionsausschuss in seiner Sitzung am Montag mit der Politikwissenschaftlerin Kathrin Voss ausgetauscht. Voss hatte den Abgeordneten ihre im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellte Studie mit dem Titel „Engagiert, Politisch, Digital? Online-Petitionen als Partizipationsform der digitalen Zivilgesellschaft“ vorgestellt, die sowohl das Agieren offener Plattformen, wie etwa change.org oder openPetition, als auch das Wirken staatlich organisierter Petitionsplattformen, wie etwa der des Bundestages, betrachtet. Ergebnis dessen sei, das die Plattform des Bundestages von den zu der Studie Befragten vielfach als zu kompliziert und nicht nutzerfreundlich bewertet wurde. Kritik gab es laut Voss auch an dem Quorum von 50.000 Mitzeichnungen innerhalb von vier Wochen, das die Voraussetzung für eine öffentliche Behandlung der Petition darstellt. Für Privatpersonen sei es nicht möglich, eine derartig große Zahl an Unterstützern zu erreichen, heißt es in der Studie.
Die Generation 50 plus stellt laut Studie die große Mehrheit der Petenten dar. Die unter 30-Jährigen hingegen seien kaum vertreten, sagte Voss. Dies passe zu den bekannten Forschungsergebnissen, wonach das Partizipationsinteresse eher von älteren, gebildeten, überwiegend männlichen Personen mit höheren Einkommen komme. Fridays for Future stelle insofern eine Ausnahme dar.
Für die Politikwissenschaftlerin ist das „durchaus nicht unproblematisch für eine Demokratie“. Dieser soziodemografischen Schieflage müsse begegnet werden - etwa durch Vereinfachungen der Sprache, wie bei den offenen Plattformen. Die Petitionsplattform des Bundestages wirke hingegen „wie von Akademikern für Akademiker gemacht“, sagte Voss. Wenn etwa die Rede davon sei, dass eine an den Bundestag gerichtete Petition „den Aufgabenbereich des Bundes“ betreffen müsse, wirke das abschreckend, weil nur die wenigsten sich darunter etwas vorstellen könnten.
Voss machte zudem deutlich, dass die ursprüngliche Vorstellung des „Petenten als Bittsteller gegenüber dem Staat“ überholt sei. Petitionen würden von den Petenten als Bürgerbeteiligung wahrgenommen, bei der auf Probleme hingewiesen wird und eigene Lösungsvorschläge eingebracht werden können. Der deutlichen Mehrheit der Petenten gehe es nicht darum, dass ihr Anliegen sofort umgesetzt wird. Ziel sei es vielmehr, in einen Dialog einzutreten. Daher sollten der Austausch von Argumenten und das Zuhören zentrale Elemente in der Gestaltung des Petitionswesens sein, sagte sie. Der Umgang mit Petitionen dürfe nicht von einfacher Zustimmung oder Ablehnung geprägt sein, sondern müsse eher als Dialog gestaltet werden, selbst wenn dies die Verfahren komplexer mache.
Die Politikwissenschaftlerin sprach sich zudem dafür aus, den Umgang mit den offenen Plattformen zu überdenken. Auch sie spiegelten zivilgesellschaftliches, individuelles Engagement wider, da sie den Menschen die Möglichkeit gäben, eigene Themen in den politischen Prozess einzubringen - „und zwar außerhalb der formalen Strukturen offizieller staatlicher Plattformen“.