Kritik an geplanter Befristung der Biomasse-Privilegierung
Berlin: (hib/VOM) Sachverständige haben die geplante Erleichterung der energetischen Nutzung von Biomasse im baulichen Außenbereich überwiegend begrüßt, die geplante Befristung bis Ende 2028 dagegen kritisch gesehen. In der Anhörung des Bauausschusses standen am Montag drei Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zum Regierungsentwurf des Wärmeplanungsgesetzes (20/8654) zur Diskussion. Einer dieser Änderungsanträge hat zum Ziel, die Privilegierung von Biomasseanlagen im Außenbereich durch befristete Sonderregelungen im Paragrafen 246d des Baugesetzbuches zu ergänzen.
Peter Kornatz, Bereichsleiter Biochemische Konversion beim Deutschen Biomasseforschungszentrum, riet dazu, die Befristung wenigstens bis 2030 zu strecken oder sie ganz fallen zu lassen und bezog sich dabei auf das Ziel der EU, die Biomethanproduktion EU-weit bis 2030 um 35 Milliarden Kubikmeter jährlich zu steigern. Kritisch sah Kornatz auch, dass die Vorhaben zur Aufbereitung von Biogas zu Biomethan in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einer bestehenden Biomasseanlage stehen sollen. Höher zu bewerten sei der räumlich-funktionale Zusammenhang zu einem Gasnetz, so Kornatz.
Christoph Spurk vom Fachverband Biogas sah im erweiterten Paragrafen 246d einen bedeutenden Schritt zur Stärkung der Technologieoffenheit. Biogas trage im ländlichen Raum maßgeblich zur Wärmewende bei. Wie Kornatz sah er in der geplanten Befristung einen „unnötigen Hemmschuh“. Die Verfahren seien kostenintensiv und die Befristung könnte aus seiner Sicht dazu führen, dass Banken die Finanzierung ablehnen. Spurk stellte darüber hinaus klar, dass in diesen Anlagen lediglich Abfall- und Reststoffe zur Energieerzeugung verwendet würden. Auch werde es keine Ausweitung der Biogaserzeugung geben.
Stefan Petzold vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) erkannte die Beschränkung auf Reststoffverwertung an, wandte sich im Übrigen aber gegen eine weitere Verwässerung des Außenbereichsschutzes. Er trat zudem dafür ein, vorhandene Ressourcen zu nutzen und dort zu bauen, wo schon gebaut wurde. Allein durch das Bauen im Bestand, etwa durch Umnutzung von Gewerbegebäuden, durch Mischnutzung oder genehmigungsfreie Gebäudeaufstockung könnten 2,3 bis 2,7 Millionen neue Wohnungen entstehen.
Aus Sicht von Elisabeth Staudt von der Deutschen Umwelthilfe wird die Rolle von Biomasse überschätzt. Damit sollten nur Lastspitzen abgedeckt werden, wenn erneuerbare Alternativen nicht zur Verfügung stehen. Staudt richtete den Fokus auf Solarthermie und Geothermie und vermisste eine entsprechende Priorisierung im Änderungsantrag. Sie regte daher an, planungsrechtliche Hemmnisse für andere erneuerbare Energien zu beseitigen und eine Privilegierung für Solar- und Geothermie einzuführen.
Der Diplom-Ingenieur Helmut Waniczek sagte, kleine Biogasanlagen seien durch große Anlagen verdrängt worden. Man komme nicht daran vorbei, die industrielle Landwirtschaft wieder einzuführen, mit Kunstdünger zu düngen und dadurch wieder Nitrat auf die Böden aufzutragen. Monokulturen würden gebraucht, um auf diese Art Energie zu erzeugen. Das sei „nicht das, was man in Deutschland benötigt“, so Waniczek.
Als „opportun“ bezeichnete Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag die Außenbereichsprivilegierung von Biomasseanlagen. Kay Ruge vom Deutschen Lankreistag schloss sich der vorgebrachten Kritik an der Befristung der Sonderregelungen an und plädierte für eine Verlängerung bis 2030 oder den Verzicht auf eine Befristung.
Der zweite Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht vor, den Paragrafen 13b des Baugesetzbuches zu streichen und einen neuen Paragrafen 215a einzufügen. Nach Paragraf 13b konnten bisher Außenbereichsflächen unter bestimmten Voraussetzungen im beschleunigten Verfahren ohne förmliche Umweltprüfung überplant werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Urteil vom 18. Juli 2023 diese Vorschrift für unwirksam erklärt, weil sie nicht konform sei mit EU-Recht. Der nun vorgeschlagene Paragraf 215a des Baugesetzbuchs soll es nach dem Willen der Koalitionsfraktionen ermöglichen, begonnene Planverfahren nach Paragraf 13b geordnet zu Ende zu führen und abgeschlossene Pläne, die an einem beachtlichen Fehler leiden und damit unwirksam sind, im ergänzenden Verfahren in Kraft zu setzen.
Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sagte dazu, man brauche praktikable Lösungen zur Schaffung von Wohnraum, der Änderungsantrag sei zu begrüßen. Das Urteil habe zu großer Verunsicherung in Städten und Gemeinden geführt. Professor Klaus Joachim Grigoleit von der Technischen Universität Dortmund nannte den Lösungsvorschlag zum Paragrafen 13b einen „relativ gut gangbaren Weg“, sprach aber auch von „Ad-hoc-Maßnahmen“, die der ohnehin geplanten Novelle des Baugesetzbuches vorgriffen.
Tine Fuchs vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) nannte die vorgesehene Regelung „nicht ausreichend“. Sie hatte sich nach eigenen Worten erhofft, dass die für den Bau von Flüchtlingswohnungen geschaffenen Sonderregelungen im Paragrafen 246 auf Gebiete mit Wohnungsmangel übertragen werden. Dies sei „dringend erforderlich“, um dauerhaft Wohnraum zu schaffen.
Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, unterstützte das Anliegen des ZIA. Man habe Auftragsrückgänge und „jede Menge Baugenehmigungen“, die nicht zu einem Projektstart führten. Die Zahl der Gutachten und Untersuchungen müsse reduziert werden. Dem Bundestag empfahl Salewski, darüber nachzudenken, ob „nicht alles aufgebrochen werden muss“ in dieser Krise. Man stehe in einer „Riesenkatastrophe“ und sei von dem Ziel, 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, Lichtjahre entfernt.
Im dritten Änderungsantrag geht es um Naturerfahrungsräume, die bereits seit 2021 als Festsetzungsmöglichkeit in Bebauungsplänen im Baugesetzbuch benannt sind. Die Koalition will nun eine ausdrückliche Darstellung der Naturerfahrungsräume auch in Flächennutzungsplänen ermöglichen. Einige Sachverständige empfahlen, dieses Vorhaben zurückzustellen und im Zuge der geplanten großen Gesetzesnovelle umzusetzen.