Geschlechtseinträge sollen leichter geändert werden können
Berlin: (hib/SCR) Geschlechtseinträge und Vornamen sollen künftig deutlich einfacher geändert werden können. Das sieht der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf (20/9049) „eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ vor. Zur Begründung führt die Bundesregierung an, dass sich das „medizinische und gesellschaftliche Verständnis von Geschlechtsidentität“ in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt habe. „Die aktuelle Rechtslage trägt dem nicht ausreichend Rechnung“, heißt es weiter. Ziel des Entwurfs sei es, Regelungen zu vereinheitlichen, zu entbürokratisieren „und zum Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität zu regeln“. Der Entwurf treffe „keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen“.
Für Menschen, deren Geschlechtsidentität vom Geschlechtseintrag abweicht, sollen danach künftig nicht mehr die Regelungen des Transsexuellengesetzes (TSG) einschlägig sein. Diese sehen unter anderem vor, dass sich Personen, die Vornamen und Geschlechtseintrag ändern wollen, zweifach begutachten lassen müssen.
Stattdessen ist laut Entwurf vorgesehen, dass eine Person die Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrages per Erklärung gegenüber dem Standesamt veranlassen kann. Diese Regelung lehnt sich laut Entwurf an die Regelungen für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung an. Diese haben seit 2018 die Möglichkeit, gegenüber dem Standesamt ihren Geschlechtseintrag streichen oder in „divers“ ändern zu lassen. Die in diesen Fällen vorgesehene Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung soll künftig entfallen. Die Neuregelung greift laut Entwurf auch für nichtbinäre Personen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Bisher gab es demnach für diese Personen keine explizite Regelung zur Änderung des Geschlechtseintrags. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seien auch in diesen Fällen die Regelungen des TSG einschlägig gewesen, heißt es im Entwurf. Mit der Neuregelung soll das TSG aufgehoben werden.
Kernstück des Entwurfes ist ein neues „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (Selbstbestimmungsgesetz. SBGG). Es soll die Voraussetzungen zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags regeln. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass eine Änderung drei Monate vorher beim zuständigen Standesamt angemeldet werden muss. Nach einer Änderung soll eine weitere Änderung erst nach Ablauf von einem Jahr (Sperrfrist) möglich sein. Mit der Erklärung vor dem Standesamt soll die betreffende Person versichern, dass „der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht“ und „ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist“.
Für Minderjährige und Personen mit Betreuer gelten abweichende Regelungen. Beschränkt geschäftsfähige minderjährige Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind, sollen die entsprechende Erklärung selbst abgegeben können, benötigen dazu aber die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Stimmt dieser nicht zu, soll laut Entwurf das Familiengericht die Zustimmung ersetzen können, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“. Bei geschäftsunfähigen Minderjährigen beziehungsweise Minderjährigen, die noch nicht 15 Jahre alt sind, soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können. Die Sperrfrist zur erneuten Änderungen soll für Minderjährige und Personen mit Betreuer nicht gelten.
In dem Entwurf werden zudem Regelungen zur Wirkung der Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen aufgeführt. Danach sollen grundsätzlich der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen im Rechtsverkehr maßgeblich sein. Ausdrücklich wird ausgeführt, dass „betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen [...] die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers sowie das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt [bleiben]“. Als Beispiel wird in die Begründung auf den Zugang zu Saunas verwiesen.
Normiert wird auch, welche Folgen die Änderung eines Geschlechtseintrages auf quotierte Gremien hat. Ferner wird angeführt, dass Rechtsvorschriften, die etwa künstliche Befruchtung, Schwangerschaft oder Entnahme von Samenzellen betreffen, unabhängig von dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht der jeweiligen Person gelten sollen, wenn die Person etwa gebärfähig ist. Weitere Regelungen betreffen unter anderem die Änderung von Registern und Dokumenten, das Offenbarungsverbot, das Eltern-Kind-Verhältnis sowie die Wehrpflicht im Spannungs- und Verteidigungsfall.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 20. Oktober 2023 eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf beschlossen. So fordert die Länderkammer unter anderem eine Schärfung des Offenbarungsverbotes, die die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung allerdings ablehnt.
Grundsätzlich kritisiert der Bundesrat, „dass die vorgelegten Pläne sich in verschiedenen Bereichen als unzulänglich erweisen, insbesondere mit Blick auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen.“ Konkret moniert die Länderkammer, dass es in Fällen von Minderjährige bis 14 Jahre allein den elterlichen Willen überlassen sein soll, Geschlechtseintrag und Vornamen der Kinder zu ändern, „ohne jede Beratung, Prüfung und Erforschung des Kindeswohls und -willens von außen“. Dies stünde in „eklatantem Widerspruch etwa zur kindzentrierten Ausgestaltung familiengerichtlicher Verfahren“, führt die Länderkammer aus.
Die Bundesregierung hält den Vorwurf, dass der Entwurf die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend berücksichtige, für nicht zutreffend. Sie lehnt insbesondere die generelle Beteiligung der Familiengerichte bei Minderjährigen ab. „Für eine generelle Kontrolle des Staates durch die Familiengerichte zum Schutz des Minderjährigen besteht keine Veranlassung, zumal eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei Minderjährigen ohne Einhaltung einer Sperrfrist erklärt werden kann“, entgegnet die Bundesregierung.
Die Federführung in der Bundesregierung für den Gesetzentwurf liegt beim Bundesministerium für Justiz und beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.