Zeugen: Parlament wurde vollständig unterrichtet
Berlin: (hib/CRS) Der 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan hat seine Arbeit mit der Befragung zweier Zeuginnen fortgesetzt. Der Ausschuss untersucht die Ereignisse nach dem Abschluss des Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban, mit dem der Abzug internationaler Truppen geregelt wurde.
Die erste Zeugin ist im Untersuchungszeitraum als Sicherheitsbeauftragte des Auswärtigen Amtes (AA) verantwortlich für die Beziehungen zu den Nato-Partnern, vor allem den USA, gewesen. Sie bezeichnete sich außerdem als das „Gesicht des AA im Verteidigungsausschusses“, weil sie dort regelmäßig zur Rede und Antwort stand.
Das Verhältnis zu den USA zum Zeitpunkt des Doha-Abkommens sei unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump schwierig gewesen, erinnerte sie sich. Man sei „immer wieder mit destruktiven Entscheidungen konfrontiert“ worden.
Vor dem Doha-Abkommen habe Deutschland jahrelang versucht, mit den Taliban zu verhandeln, sei damit aber gescheitert, weil die Gotteskrieger sich stets Verhandlungsfortschritten entzogen hätten. Nach der Unterzeichnung des Abkommens habe Deutschland nie infrage gestellt, dass es einen Rückzug der Truppen geben würde. Das Ziel aber sei gewesen, den Einsatz verantwortlich zu beenden. „Der Abzug, den wir uns vorgestellt haben, wäre verschränkt gewesen mit einem politischen Prozess, der das Problem beseitigt hätte“, sagte die Diplomatin.
Stattdessen habe das Doha-Abkommen festgelegt, dass der Abzug innerhalb 14 Monate stattfinden würde. Während der Verhandlungen hätten deutsche Diplomaten stets im engen Kontakt mit ihren US-Kollegen gestanden, berichtete die Zeugin. Der Grundansatz sei gewesen, ein Abzug der Truppen in Aussicht zu stellen. Was die deutsche Seite aber nicht gewusst hätte, sei die Tatsache gewesen, „dass dieser Abzug nicht mit dem politischen Prozess verbunden war“.
Nach dem Abkommen habe das AA zunächst versucht, Zeit zu gewinnen und Automatismen zu verhindern, weil es deutlich gewesen sei, dass Trump bereits im Vorfeld die Entscheidung zum Abzug getroffen habe. Nach der Abwahl Trumps, seien man jedoch „gehandicapt“ gewesen, weil die neue Administration in der Übergangsphase mit ausländischen Vertretern nicht gesprochen habe. Andererseits habe die Zeit gedrängt, weil der Rückzugstermin sich näherte.
Alle deutschen Vertreter, von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel bis hin zu den Ministern und Sicherheitsberatern, hätten das Thema immer auf die Tagesordnung gesetzt. Daraufhin habe die USA das Abkommen einer Überprüfung unterzogen. „Sie haben es sich nicht leicht gemacht“ sagte die Zeugin. Am Ende habe sich der neue Präsident Joe Biden jedoch trotz allem für einen zeitbasierten Ansatz entschieden. Ab diesem Zeitpunkt sei es dem AA nur noch darum gegangen, dem Bündnis keine Schäden zuzufügen.
Sie habe sich immer bemüht dem Verteidigungsausschuss des Bundestages sachlich über die Entwicklungen zu berichten und habe stets den Eindruck gehabt, die Abgeordneten fühlten sich ausreichend informiert. Die Zeugin berichtete, dass sie dem Ausschuss mehrmals eine Unterrichtung durch den Sonderbeauftragten der Bundesregierung, Markus Potzel, angeboten habe. Der Ausschuss sei jedoch nicht darauf eingegangen. Außerdem seien immer wieder die Obleute der Fraktionen unterrichtet worden.
Die zweite Zeugin des Abends, die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl, bestätigte aus der Perspektive der Abgeordneten die Aussagen der Zeugen aus den Reihen der Bundesregierung. Sie habe sich stets gut informiert gefühlt, unterstrich sie. Sie räumte aber ein, dass sie sich schließlich auf die Informationen des Verteidigungsministeriums verlassen musste. „Vielleicht wurde über die Lage der afghanischen Streitkräfte nicht genug berichtet“ sagte sie, „aber das wissen wir erst jetzt.“ Sie könne dafür niemandem Vorwürfe machen, betonte die Wehrbeauftragte und frühere SPD-Abgeordnete.
Högl betonte, dass die Bundesregierung den Abgeordneten alle Informationen, einschließlich militärische Informationen, „ehrlich und vollständig“ liefern müsse. Die Abgeordneten würden selbst entscheiden, was sie mit diesen Informationen machen.
Die Wehrbeauftragte berichtete dem Untersuchungsausschuss außerdem von ihren Begegnungen mit den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die am Evakuierungseinsatz am Kabuler Flughafen beteiligt waren. Demnach seien sie überfordert gewesen, weil sie vor Ort entscheiden mussten „wer mitkommt und wer nicht.“ Sie hätten einen klaren Auftrag gebraucht, stellte Högl fest.