Versorgung von Frühgeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht
Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss setzt sich für eine flächendeckende Klinikinfrastruktur zur Versorgung von Früh- und Reifgeborenen unter 1.250 Gramm Aufnahmegewicht ein. In der Sitzung am Mittwochmorgen verabschiedeten die Abgeordneten einstimmig die Beschlussempfehlung an den Bundestag, eine dahingehende Petition mit dem höchstmöglichen Votum „zur Berücksichtigung“ an die Bundesregierung zu überweisen und sie den Fraktionen „zur Kenntnis zu geben“.
In der öffentlichen Petition (ID 139965) wird verlangt, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Jahr 2020 beschlossene Änderung, wonach bei der Versorgung von Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm 25 Kinder, statt bislang 14 Kinder, an einem Standort pro Jahr betreut werden müssen, damit die Krankenhäuser diese Leistungen erbringen dürfen, aufzuheben. Außerdem solle der Ausbau der Früh- und Reifgeborenenversorgung als Teilziel des nationalen Gesundheitsziels „Gesundheit rund um die Geburt“ aufgenommen werden.
Die Petentin begründet ihre Eingabe unter anderem damit, dass die Anhebung der Fallzahlen die Schließung weiterer Level 1-Perinatalzentren zur Folge habe. Flächendeckende Klinikinfrastruktur werde somit weiter abgebaut, obwohl im aktuellen Koalitionsvertrag die bedarfsgerechte Finanzierung der Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe vorgesehen sei. Gerade in strukturschwachen Regionen sollten aber Standorte mit niedrigen Fallzahlen gefördert und nicht geschlossen werden, heißt es in der Petition, die in der Mitzeichnungsfrist neben 56.682 Online-Unterstützungen auch noch 54.193 „analoge Unterschriften“ verbuchen konnte und daher am 27. März 2023 öffentlich beraten wurde (https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-940318).
In der Begründung zur Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses heißt es, der Erhöhung der Mindestmenge liegt die - mit Studien belegbare - Feststellung zugrunde, dass das Sterberisiko der Frühgeborenen „mit Erhöhung der Fallzahlen in den Perinatalzentren linear stetig sinkt“. Die zukünftig geltende Mindestmenge von 25 stelle nach Ansicht des G-BA einerseits „eine hinreichende Behandlungsroutine“ sicher, die „die Mortalität und therapiebedingte Komplikationen reduziert“ und andererseits „eine bundesweit ausreichende Anzahl an Krankenhausstandorten gewährleistet“, heißt es in der Vorlage. Die Änderung der Mindestmenge basiere dabei auf Literaturrecherchen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und Datenauswertungen des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen.
Die Abgeordneten verweisen zudem auf das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) vom 11. Juli 2021, wonach die Planungsbehörden der Länder auch zukünftig Ausnahmen von den festgelegten Mindestmengen vorsehen könnten, „wenn ansonsten die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährdet wäre“. Dies sei jedoch unter die Voraussetzung gestellt worden, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich ihr Einvernehmen zu der Ausnahmeentscheidung erteilen. Zusätzlich soll eine Informations- und Berichtspflicht der Länder eingeführt werden, nach der diese den G-BA sowie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) über Ausnahmeentscheidungen zu informieren und ihre Entscheidung zu begründen hätten.
Der Petitionsausschuss unterstreicht in der Beschlussempfehlung die besondere Schutzbedürftigkeit neuen Lebens und erkennt die vielfältigen Herausforderungen an, die für betroffene Familien mit einer Frühgeburt einhergehen können. „Aus diesem Grund begrüßt der Ausschuss ein evidenzbasiertes Vorgehen und hält das Konzept der Zentrenbildung durch die Heranziehung von Mindestmengen für grundsätzlich sachgerecht“, heißt es in der Vorlage.
Zur Sicherstellung der tatsächlichen Umsetzung einer flächendeckenden Versorgung erachten es die Abgeordneten jedoch für sinnvoll, „das Einvernehmenserfordernis mit den Kostenträgern zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zu evaluieren“. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Ausschuss, die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen und sie den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis zu geben, „weil das Anliegen der Petentin begründet und Abhilfe notwendig ist“.