Sachverständige uneins beim Recht auf Wohnungstausch
Berlin: (hib/MWO) Auf Pro und Contra bei den Sachverständigen stieß ein Antrag der Fraktion Die Linke zur Einführung eines Rechts auf Wohnungstausch (20/6714) bei einer Öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am Montag. Nach dem Antrag soll es tauschwilligen Mieterinnen und Mietern ermöglicht werden, aus zu großen in kleinere Wohnungen zu ziehen und umgekehrt. Er sieht vor, dass die bestehenden Mietverträge jeweils ohne Mieterhöhung übernommen werden können. Verwiesen wird auf einen entsprechenden Passus im österreichischen Mietrecht.
Für den Antrag sprachen sich die Vertreter von Wohnungstauschbörsen und Mieterverbänden aus. Von der Linksfraktion eingeladen war Joachim Faßmann vom Cottbuser Kollektiv Stadtsucht, das seit 2020 als Projektträger die Koordinierungsstelle Wohnungstausch (KSWT) im Auftrag der Landeshauptstadt Potsdam betreibt. Wie Faßmann in seiner Stellungnahme schilderte, dauerte es etwa drei Jahre, bis der Wohnungstausch in Potsdam auf signifikante Erfolge verweisen konnte. Im August 2023 seien 550 Tauschgesuche registriert gewesen, aus denen sich mehr als 4.500 Tauschmöglichkeiten ergäben. Zwölf Wohnungstausche seien umgesetzt worden, 35 weitere Tausche seien in Vorbereitung und Umsetzung. Die Erfahrungen zeigten, dass es einer öffentlichen Förderung des Wohnungstauschs bedarf. Dabei gehe es nicht um die Pflicht zum Wohnungstausch, sondern um das Recht und eine angemessene finanzielle Unterstützung auf Bundes- und Landesebene.
John Weinert, Geschäftsführer der Bonner Tauschwohnung GmbH, die seit 2010 ein bundesweites Wohnungstauschportal und kommunale Wohnungstauschportale betreibt sowie Wohnungstauschlösungen für Wohnungsunternehmen und Genossenschaften anbietet, verwies in seiner Stellungnahme auf „riesige stille Wohnraumreserven“ und plädierte ebenfalls für ein Recht auf Wohnungstausch. Über Tauschwohnung seien in den letzten zwei Jahren rund 5.300 Haushalte vermittelt worden, so Weinert, der von der SPD-Fraktion eingeladen wurde. Aktuell seien es durchschnittlich drei Tauschpaare pro Tag mit steigender Tendenz. Viele Menschen seien bereit, im Alter in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Dafür sollten die richtigen Bedingungen geschaffen werden. Wohnungstausch funktioniere zwar auch jetzt schon auf Basis von Freiwilligkeit. In der Praxis scheiterten Wohnungstauschvorgänge oft an den Vermietern, die sich oft nicht über die Vorteile im Klaren seien.
Franz Michel vom Deutschen Mieterbund (DMB) erklärte, ein Rechtsanspruch wie im Antrag gefordert würde die Rechtsposition für Mieter und Mieterinnen erheblich verbessern und wäre eine „sinnvolle, kluge Lösung“. Eine Verbesserung könne allerdings nur entstehen, wenn auch die Tauschbedingungen gesetzlich geregelt würden. Vor allem müsse festgelegt werden, wann der Vermieter seine Zustimmung verweigern darf, denn der Rechtsanspruch dürfe keine enttäuschten Erwartungen schüren. Ein Blick nach Österreich zeige, so der von der SPD-Fraktion eingeladene Experte, dass mehr Rechtssicherheit beim Wohnungstausch möglich und sinnvoll sei. Auch für Deutschland empfehle sich, den Wohnungstausch in einer eigenständigen Norm im Bürgerlichen Gesetzbuch zu regeln, in der analog zum österreichischen Modell die konkreten Bedingungen festgelegt werden, unter denen ein Wohnungstausch rechtlich eindeutig vollzogen werden kann.
Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein ging in ihrer Stellungnahme auf zwei Studien ein, die sich mit dem Problem unter- beziehungsweise überbelegter Wohnungen befassen und vorschlagen, zur Lösung des Problems die Mietenregulierung aufzuheben. Dabei werde jedoch nicht auf die Einkommenslage der betroffenen Haushalte eingegangen, so Hamann, die auf Einladung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilnahm. Ein wesentlicher Teil der Haushalte, die in unterbelegten Wohnungen wohnen, verfügten über ein überdurchschnittliches Einkommen und könnten sich daher eine große Wohnung leisten und wollten dies vermutlich auch. Gleichzeitig würde eine Mietenderegulierung die Situation der Haushalte mit niedrigem Einkommen, die bisher überbelegt wohnen, noch verschlechtern. Vor diesem Hintergrund mache der Antrag der Linksfraktion mehr Sinn als eine Deregulierung. Wie Michel vom DMB sprach sich Hamann für die Einführung eines Rechts wie in Österreich aus. Im Vorschlag der Linken gebe es jedoch zu viel Auslegungsspielraum.
Die Immobilienbranche lehnt den Antrag strikt ab. Es brauche keine gesetzlichen Regelungen, denn diese würden nur dazu führen werden, dass freiwillige Initiativen der Wohnungsunternehmen gefährdet oder eingestellt werden, erklärte Carsten Herlitz vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben rund 3.000 kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen, die fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland bewirtschaften. Laut Herlitz, der von der CDU/CSU-Fraktion eingeladen wurde, bieten die im GdW organisierten Unternehmen bereits verstärkt Möglichkeiten an, wie Mieterinnen und Mieter ihre Wohnungen tauschen können. Dabei werde auf Freiwilligkeit und Kooperation gesetzt - ohne staatlichen oder gesetzgeberischen Zwang. In der Praxis sei aber festzustellen, dass Angebote über Tauschbörsen nicht oder nur in ausgesprochen geringem Maß angenommen werden. Eine Übernahme der Regelung aus Österreich dürfte weder die praktischen Probleme beim Wohnungstausch, noch die rechtlichen Probleme lösen, so Herlitz.
Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin von Haus & Grund Deutschland, die ebenfalls von der Unionsfraktion eingeladen worden war, begrüßte Anstrengungen für ein größeres Wohnraumangebot. Haus & Grund ist laut Storm der mit Abstand größte Vertreter der privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer in Deutschland. Derartige Maßnahmen dürften allerdings nicht allein zu Lasten der vermietenden Eigentümer gehen, erklärte Storm in ihrer Stellungnahme. Ein so tiefreichender Eingriff in die Rechte und Interessen der Vermieter, wie er durch den Antrag gefordert werde, stehe in keinem Verhältnis zu den Zielen des Antrags. Die Forderungen des Antrags seien inakzeptabel. Er verstoße gegen die Vertragsfreiheit und die Eigentumsfreiheit des Vermieters.
Christian Osthus, stellvertretender Bundesgeschäftsführer des Immobilienverband Deutschland (IVD), erklärte, das Instrument des Wohnungstausches könne aus der Perspektive des IVD sein, die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern, solange die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten gewahrt blieben. Das sei grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Tausch im Einvernehmen aller Beteiligten erfolgt. Es gebe Wohnungsbauunternehmen, die das Tauschmodell praktizieren, aber nur wenige erfolgreiche Tauschgeschäfte, so Osthus. Bei kleinen Wohnungsbaugesellschaften und privaten Kleinvermietern, die mit Abstand das Gros der Vermieter darstellten, spiele der Wohnungstausch praktisch keine Rolle. Dies könne man nicht durch einen Zwang des Vermieters überwinden, dem Wohnungstausch zuzustimmen. Das zeige auch das Beispiel Österreich.
Auch die Vertreter der Rechtswissenschaft bewerteten den Antrag unterschiedlich. Martin Häublein von der Universität Innsbruck, Institut für Zivilrecht, sagte zu der im Antrag geforderten Problemlösung nach österreichischem Vorbild, diese Norm habe in über vier Jahrzehnten keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt und werde als „totes Recht“ angesehen. Sie habe in Österreich nicht zur Entspannung des Wohnungsmarktes beigetragen. Die Ursachen lägen in einem Grundkonflikt, den die Norm zu lösen habe. Unter Hintanstellung der unter anderem durch die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention verbürgten Privatautonomie des Vermieters werde diesem gegen seinen Willen ein Vertragspartner aufgezwungen, erklärte Häublein, der auf Einladung der Unionsfraktion Stellung zu dem Antrag nahm. Das müsse durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt sein, andernfalls sei der Eingriff in die Privatautonomie nicht gerechtfertigt und die Norm rechtswidrig. Auch in Deutschland würde eine solche Regulierung mehr Probleme aufwerfen als lösen.
Markus Artz, Lehrstuhlinhaber an der Universität Bielefeld, Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht und Vorsitzender des Deutschen Mietgerichtstags, der von der SPD-Fraktion eingeladen wurde, hält die Einführung eines Anspruchs auf Zustimmung zum Wohnungstausch für ein Mittel, mit dem man einen Teil eines riesigen Problems angehen könnte. Er könne sich das ähnlich wie bei der Untermiete vorstellen, dass es im Grunde ein Anspruch jeweils gegen den Vermieter auf Zustimmung gibt, den dieser auch verweigern kann, wenn ihm aus Gründen, die in der Person des Mietinteressenten liegen, eine Vermietung nicht zuzumuten ist. Auch die Solvenz des neuen Mieters sei ein sehr wichtiger Grund. Es dürfe selbstverständlich kein Zwang und kein Druck auf Bestandsmieter geben, ihre Wohnungen zu verlassen, sondern dies müsse auf Freiwilligkeit basieren. Dem Vermieter gehe natürlich die Möglichkeit der Neuvermietung verloren, so dass er sich durchaus vorstellen könne, so Artz, dass man ihm einen geringfügigen Zuschlag zur Bestandsmiete gewähren könnte.
Elke Hanel-Torsch, Wiener Landesvorsitzende der Mietervereinigung Österreichs, die auf Einladung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilnahm, erläuterte die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Wohnungstausch in Österreich. Der Paragraf 13 des Mietrechtsgesetzes würde theoretisch einen Wohnungstausch ermöglichen. Die Voraussetzungen seien jedoch so hoch, dass sie den Anwendungsbereich einengten und die Norm damit „totes Recht“ sei. Nach ihrer Kenntnis habe es in den vergangenen Jahren kein einziges Wohnungstauschverfahren gegeben, „weil die Voraussetzungen einfach nicht erfüllbar sind“. Ein zusätzliches Problem sei in Österreich, dass zwei Drittel aller Mietverträge nur noch befristet seien. Dann mache ein Tausch de facto keinen Sinn. Außerdem dürfe der Vermieter oder die Vermieterin den Mietzins im Fall eines Tausches anheben.
Wie die Fraktion Die Linke in ihrem Antrag schreibt, sind die aktuellen Instrumente des Mietrechts, die den Anstieg der Mietpreisniveaus dämpfen sollen, angesichts unaufhörlich steigender Mieten und einer sich verschärfenden Wohnungsnot in ihrer Wirkung völlig unzureichend. Neben grundlegenden bundesgesetzlichen Änderungen zum Schutz der Mieter und Mieterinnen vor noch weiter steigenden Wohnkosten und einer anderen Wohnungsbaupolitik seien flankierend schnelle und pragmatische Lösungen erforderlich, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. Dazu gehöre die Einführung des Rechts auf Wohnungstausch.
Der Bundestag solle die Bundesregierung daher unter anderem auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der einen Rechtsanspruch einführt, der Mietern und Mieterinnen den gegenseitigen Eintritt in bestehende Mietverträge unter Beibehaltung der jeweiligen Vertragskonditionen und demnach ohne Erhöhung der Mieten ermöglicht. Nach österreichischem Vorbild müsse eine Zustimmung der Vermieter und Vermieterinnen eingeholt werden, die nur wegen besonders triftiger Gründe verweigert werden dürfe.