21.09.2023 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 680/2023

Zeuge: Charterflüge für Ortskräfte wären zu teuer geworden

Berlin: (hib/CRS) Der 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan hat in seiner ersten Sitzung nach der parlamentarischen Sommerpause zunächst einen Referenten im Referat Afghanistan und Pakistan im Auswärtigen Amt (AA) befragt. Der Oberstleutnant a.D. war vor und während des Untersuchungszeitraums als militärpolitischer Berater beim AA tätig. Er bezeichnete seine Rolle auch als „Verbindungsoffizier“ zwischen dem AA und dem Bundesministerium für Verteidigung (BMVg). 

Die Abgeordneten interessierten sich vor allem für die Schließung des Generalkonsulats in Masar-e Scharif und den Umgang mit den afghanischen Ortskräften. Ein Thema war die Diskussion um Charterflüge für die Ortskräfte, außerdem wollten die Abgeordneten wissen, ob der Zeuge Vorschläge für eine bessere Bearbeitung der Anträge von Ortskräften gemacht habe.

Er erklärte, es sei jedem klar gewesen, dass das Generalkonsulat in Masar-e Scharif parallel zum Abzug der Bundeswehr irgendwann geschlossen werden müsse. Das habe er auch frühzeitig in einer Ministerialvorlage zur Sprache gebracht und dabei auch auf die Ortskräfte hingewiesen. Die Vorlage habe man damals aber nicht weiterverfolgt.

Ein Jahr später sei seine zweite Vorlage vom damaligen Außenminister Heiko Maas (SPD) gebilligt worden. Darin habe er die Situation der Ortskräfte nicht mehr erwähnt, denn zu diesem Zeitpunkt seien schon alle anderen Stellen in dieser Frage „sensibilisiert“ gewesen.

Er habe gleich nach dem Abschluss des Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban im Februar 2020, in dem der Abzug westlicher Streitkräfte aus Afghanistan vereinbart wurde, vorgeschlagen, für die Ortskräfte „großzügige Übergangsregelungen“ zu finden. Dabei habe er vor allem an finanzielle Abfindungen gedacht, da die lokalen Mitarbeiter nach dem Abzug auch wirtschaftliche Schwierigkeiten haben würden. „Vielleicht aber auch um zu verhindern, dass sie einen Antrag auf Aufnahme stellen“, fügte der Zeuge hinzu. Er habe mit ungefähr 1.900 Anträgen gerechnet.

Aus seiner Sicht hätte eine Massenflucht verhindert werden sollen. Daher hätten sie keine „offensichtlichen Bilder“ senden wollen. „Wir haben die Ausreise der Ortskräfte aber nicht verhindert“, sagte der Oberstleutnant a.D..

Er habe Vorschläge gemacht, um die Bearbeitung der Anträge zu verbessern, sagte er weiter aus, und habe angeregt, das Personal in der deutschen Botschaft in Teheran aufzustocken, da die Botschaften in Islamabad und Neu-Delhi überfordert gewesen seien. Gleichzeitig habe er sich gegen Charterflüge für die Bundeswehr-Ortskräfte ausgesprochen. Erstens wären solche Flüge für die Bundesregierung und die Steuerzahler zu teuer geworden, zweitens habe es zum damaligen Zeitpunkt noch Linienflüge nach Masar-e Scharif gegeben. Viele Ortskräfte hätten damals bereits ein Visum für Deutschland gehabt, aber die Gelegenheit nicht genutzt, einen Linienflug zu nehmen. „Im Juli 2021 gab es noch Linienflüge“, unterstrich der Zeuge und fragte: „Warum sollte ich mir etwas anderes überlegen?“

Er habe die Sachlage mit Argumenten ergänzt. Das sei seine Aufgabe gewesen. Die Entscheidungsträger müssten schließlich alle Argumente kennen, um ihre Entscheidungen der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Die Sitzung des Ausschusses, der die Zeit nach dem Doha-Abkommen untersucht, wird aktuell mit der Befragung zwei weiterer Zeugen aus dem AA fortgesetzt.


Marginalspalte