Experten wollen Lobbyregistergesetz weiter verbessern
Berlin: (hib/VOM) Sachverständige haben den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Lobbyregistergesetzes (20/7346) weitgehend befürwortet, aber auch konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreitet. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hob Gregor Hackmack von der Internetplattform „Abgeordnetenwatch“ auf die Offenlegung von Lobbykontakten ab, da es weiterhin nicht möglich sei, nachzuvollziehen, welche Lobbyisten sich mit Entscheidungsträgern zu welchen Themen treffen. Es sei wichtig, dass alle den gleichen Zugang haben und transparent wird, wer mit welcher Personalstärke worauf Einfluss nimmt. Ein weiterer Punkt sei die Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Aus Sicht Hackmacks erfolgt eine Sanktionierung so gut wie gar nicht, da die Bundestagsverwaltung die Angaben kontrolliere. Er empfahl, eine unabhängige Instanz, vergleichbar dem Datenschutzbeauftragten, mit der Kontrolle zu beauftragen.
Seit 2022 müssen sich Interessenvertretungen gegenüber dem Deutschen Bundestag oder der Bundesregierung in das Lobbyregister eintragen. Mit den geplanten Änderungen, die am 1. Januar 2024 in Kraft treten sollen, wollen die Koalitionsfraktionen den Anwendungsbereich und die Offenlegungspflichten im Lobbyregistergesetz „im Interesse einer transparenten Staatstätigkeit“ nachschärfen.
Michael Henning vom Verband der Chemischen Industrie kritisierte die Beibehaltung pauschaler Ausnahmen als „enorme Wettbewerbsverzerrung“ zulasten der transparenten Interessenvertreter. Das werde verschärft durch die Ausweitung der Transparenzpflichten. Vor allem bei der Angabe der Gesetzgebungsvorhaben und Stellungnahmen sei der Entwurf auf der „falschen Fußspur“ unterwegs. Die geplanten Regelungen würden zu einem Doppelaufwand mit erheblichen Kosten führen, die vor allem auch kleine Interessengruppen tragen müssten. Für Henning wäre damit nur ein marginaler Transparenzgewinn verbunden, hinzu kämen Ausweicheffekte und eine starke Verzerrung der Inhalte. Aus seiner Sicht sollte die Dokumentationspflicht beim Gesetzgeber liegen.
Henning empfahl darüber hinaus die Einführung eines „exekutiven Fußabdrucks“, also die Auflistung aller an einem exekutiven Verfahren mitwirkenden Interessenvertreter, anstelle der aktuellen Regelung und nicht wie geplant zusätzlich dazu, um Doppelaufwand zu vermeiden. Die Angabe der Höhe der Mitgliedsbeiträge hielt er nicht für erforderlich. Für kleinere Organisationen könne es existenzbedrohend sein, wenn Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse möglich wären.
Timo Lange vom Verein Lobbycontrol kann dem Koalitionsentwurf viel Gutes abgewinnen. Positiv sah er die Regelung zum sogenannten „Drehtüreffekt“ beim Ausscheiden aus der Politik in eine Lobbyisten-Tätigkeit. Das künftig nachvollziehen zu können, habe vielleicht eine steuernde Wirkung, so Lange. Positiv fand er auch, dass die registerführende Stelle in ihren Rechten gestärkt wird, um auf die Richtigkeit von Eintragungen hinzuwirken. Zudem sei gut, dass die Option, Finanzangaben verweigern zu können, entfallen soll.
Spenden an gemeinnützige und mildtätige Organisationen seien nicht vergleichbar mit Parteispenden und mit Aufträgen an Lobbyagenturen, betonte Lange. Bei der Anhebung der Veröffentlichungsgrenzen sei die Koalition etwas über das Ziel hinausgeschossen. Dennoch sollte aus seiner Sicht transparent sein, wenn sehr hohe Summen an zivilgesellschaftliche Organisationen gespendet werden. Insofern würde er eine absolute Offenlegungspflicht zusätzlich zur prozentualen befürworten, zumindest bei Zuwendungen von juristischen Personen.
Norman Loeckel von der Nichtregierungsorganisation Transparency International ging beispielhaft auf den Cum/Ex-Skandal ein. 2002 und 2003 seien in Briefen an das Bundesfinanzministerium Regelungen vorgeschlagen worden, die 2007 eins zu eins in das Jahressteuergesetz übernommen worden seien. Der Cum/Ex-Skandal habe einen riesigen Steuerschaden verursacht. Wenn das damals bekannt geworden wäre, so Loeckel, hätte man „wahrscheinlich etwas kritischer auf diese Formulierung geschaut“. Die aktuelle Regelung im Gesetz würde einen Cum/Ex-Skandal nicht transparenter machen, sie hätte keine präventive Wirkung und sei kein Ersatz für den „Fußabdruck“, sagte Loeckel. Die Bundesregierung ziere sich: „Lassen Sie sich vom Bundesinnenministerium nicht auf der Nase herumtanzen“, rief er den Abgeordneten zu.
Dominik Meier von der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung begrüßte viele Änderungen im Entwurf, kritisierte aber, dass die Ausnahme von Kirchen sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden von der Regulierung des Lobbyregistergesetzes nicht angegangen werde. Den „exekutiven Fußabdruck“ hielt er für erforderlich, da müsse nachgeschärft werden. Als extrem hoch bewertete Meier den bürokratischen Aufwand, der bisher auf 65 Millionen Euro geschätzt werde, was eine immense Herausforderung sei.
Professor Andreas Polk von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin hielt es für richtig, dass die Interessengruppen ihren administrativen Aufwand selbst tragen. Wichtig sei, auch die Referenten in den Anwendungsbereich des Gesetzes einzubeziehen und die Ausnahmen für Kirchen und Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zurückzunehmen. Bei den Gutachten und Stellungnahmen sei es wichtig zu erfahren, wer mit welchen Positionen Einfluss nimmt. Aus seiner Sicht wäre es richtig, einen exekutiven und legislativen Fußabdruck zu bekommen und die Kontaktabbildung besser darzustellen.
Professor Philipp Austermann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung sagte, er habe den Eindruck, dass diejenigen, die Spenden bekommen, gegenüber denjenigen, deren Interessenvertretung aus anderen Mitteln bezahlt wird, bevorzugt werden, ohne dass ein Grund dafür erkennbar sei. Es solle möglicherweise versucht werden, den spendenfinanzierten Lobbyismus besserzustellen.
Professor Ulrich Battis von der Humboldt-Universität zu Berlin unterstrich, dass Transparenz und Partizipation Kernbegriffe des Demokratieprinzips seien. Sowohl der exekutivische als auch der legislativische Fußabdruck seien Einschränkungen. Die vorgeschlagenen Regelungen im Koalitionsentwurf hielt Battis für geeignet. Ob im Einzelnen noch etwas zurückzunehmen sei, sei eine Frage der Gesetzgebungstätigkeit. Gegenstand der Anhörung waren auch ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Änderung des Lobbyregistergesetzes (20/1322) und ein Antrag der Fraktion Die Linke für eine unabhängige Prüfinstanz für Lobbytransparenz und die Offenlegung von Lobbykontakten (20/288).
Die Anhörung im Video sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw38-pa-geschaeftsordnung-lobbyregister-964844