21.06.2023 Gesundheit — Anhörung — hib 475/2023

Therapieoptionen bei Lipödem-Patientinnen

Berlin: (hib/PK) Fachärzte befürworten weitergehende Therapieoptionen für Patientinnen mit Lipödem. Die chronische Fettverteilungsstörung, von der insbesondere Frauen betroffen sind, sei von Anfang an mit Schmerzen verbunden und eine schwere Belastung. Die sogenannte Liposuktion (Fettabsaugung) sollte daher schon in einem früheren Krankheitsstadium genutzt werden, forderten Sachverständige in einer Anhörung über Anträge der Unions- und der Linksfraktion. Die Experten äußerten sich am Mittwoch in der Anhörung des Gesundheitsausschusses sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Die Abgeordneten der Linken und der Union fordern in ihren Anträgen eine bessere Versorgung der Betroffenen. Die Linksfraktion schreibt in ihrem Antrag (20/6713), seit Jahren werde die Fettabsaugung angewendet und seit 2019 bei Patienten mit Stadium III auch von der Krankenkasse übernommen. Die Abgeordneten fordern, bis zum Vorliegen von Ergebnissen aus einer Erprobungsstudie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (LIPLEG-Studie) die Erstattungsfähigkeit der Liposuktion auch in den Stadien I und II sicherzustellen. Auch die Union fordert in ihrem Antrag (20/7193), die Liposuktion außerhalb der Erprobungsstudie bei entsprechender Indikation zu Lasten der Krankenkassen zu ermöglichen.

Der G-BA rechtfertigte die jetzige Regelung mit dem Mangel an ausreichenden Daten zum Nutzen und Schaden der Liposuktion sowie zur konservativen Therapie. Mit den Ergebnissen der LIPLEG-Studie könne der G-BA bis Mitte 2025 einen Beschluss für alle drei Erkrankungsstadien fassen.

Die Lipödem-Gesellschaft geht von knapp vier Millionen betroffenen Frauen aus, die in den Stadien I und II mangelhaft versorgt würden. Eine Umfrage unter mehr als 1.500 operierten Frauen habe den Nutzen der Liposuktion als Therapieform deutlich gemacht. Allerdings hätten rund 77 Prozent der befragten Frauen die Behandlung selbst getragen, mehr als 50 Prozent hätten sich dafür verschuldet. Claudia Effertz von der Lipödem-Gesellschaft sagte in der Anhörung, viele Frauen hätten Angst vor dem fortgeschrittenen Stadium III und ließen sich früh operieren. Sie verwies auf mögliche orthopädische Folgeerkrankungen mit eingeschränkter Bewegung.

Der Einzelsachverständige Martin Danner von der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe) sprach von einem Systemversagen bei der Behandlung von betroffenen Frauen in den Stadien I und II. Das übliche Verfahren zur Leistungsgewährung funktioniere hier nicht.

Nach Angaben des Gefäßchirurgen Michael Offermann ist die Problematik schon lange bekannt. Seit 20 Jahren operiere er das Lipödem mit medizinischer Indikation. In den Stadien I und II müsse möglichst sofort operiert werden, weil die Patientinnen dann noch zu heilen seien. Stadium III sei operativ viel aufwendiger. Die Operationskosten bezifferte er mit 4.000 bis 5.000 Euro. Wenn die Patientinnen früh genug kämen, bestehe eine gute Heilungschance.

Auch Tobias Hirsch, Spezialist für plastische Chirurgie, hob die Vorteile der Operation hervor, die zudem letztlich billiger sei als die konservative Therapie. Mit der Operation könne den Patientinnen deutlich effizienter und ursächlich geholfen werden. Es sei schwer nachvollziehbar, weshalb den Patientinnen dies vorenthalten werde.

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