Digitalisierung im Bauleitplanverfahren zugestimmt
Berlin: (hib/VOM) Der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen hat am Mittwoch dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/5663) in geänderter Fassung zugestimmt. Neben den Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP stimmte auch die CDU/CSU-Fraktion für den geänderten Regierungsentwurf, während ihn die AfD-Fraktion ablehnte und die Fraktion Die Linke sich enthielt. Dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen stimmte auch die Unionsfraktion gegen das Votum der AfD bei Enthaltung der Linken zu. Drei Änderungsanträge der Unionsfraktion sowie ihr Antrag (20/6174), die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu unterstützen, fanden keine Mehrheit. Der Bundestag berät den Gesetzentwurf am Donnerstag abschließend.
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, das Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen zu modernisieren und zu beschleunigen. Das digitale Beteiligungsverfahren soll zur Regel für die Öffentlichkeitsbeteiligung und für die Beteiligung der Behörden werden. In bestimmten Fällen soll eine erneute Veröffentlichung und Einholung von Stellungnahmen bei Planänderungen oder -ergänzungen unterbleiben können. Die Bauleitplanverfahren sollen auch dadurch schneller werden, dass die Fristen zur Genehmigung bestimmter Bauleitpläne von drei Monaten auf einen Monat verkürzt werden.
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Änderungsantrag weitere gesetzliche Regelungen vorgeschlagen, darunter die Aufnahme einer Wiederaufbauklausel in das Baugesetzbuch als Folge der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021. Danach können die Länder im Katastrophenfall Wiederaufbaugebiete definieren, in denen bestimmte Ausnahmen vom Baugesetzbuch gelten. So sollen im Wiederaufbaugebiet oder einer Nachbargemeinde dringend erforderliche bauliche Anlagen und Einrichtungen fünf Jahre lang zugelassen werden können, auch wenn sie den Vorschriften des Baugesetzbuchs oder eines Bebauungsplans nicht entsprechen. Dies soll es ermöglichen, die Bevölkerung bis zum geordneten Wiederaufbau ausreichend zu versorgen.
Zudem ist im Außenbereich eine Privilegierung von Vorhaben zur energetischen Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen (sogenannte Agri-Photovoltaik-Anlagen bis 2,5 Hektar) vorgesehen, in die auch Gartenbaubetriebe einbezogen werden. Erleichtert werden soll überdies der Bau und Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Sonnen- und Windenergie vor allem in Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten. Auch der Bedarf an Anlagen für soziale Zwecke wie Schulen, Kindergärten, Beratungsstellen, Einrichtungen zur Behinderten- und Altenbetreuung und Unterkünfte für Obdachlose soll eine Befreiung rechtfertigen können.
Schließlich ist vorgesehen, die Sonderregelungen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Kommunen um drei Jahre bis Ende 2027 zu verlängern. Um die Gemeinden zu entlasten, soll die Errichtung der Unterkünfte bis dahin ohne entsprechende Bauleitplanung möglich sein. Dabei sollen nicht nur die Flüchtlingsunterkünfte selbst betroffen sein, sondern auch Anlagen zur Versorgung von Flüchtlingen, etwa zur psychosozialen Betreuung traumatisierter Flüchtlinge, zur Betreuung geflüchteter Kinder, Jugendlicher und Familien sowie gesundheitliche Beratungsstellen.
Isabel Cademartori (SPD) hob hervor, dass das Planen und Bauen mit dem Gesetz einfacher, schneller und bürgerfreundlicher werden soll. Dies sei ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung, wobei es weiterhin auch die nichtdigitale Möglichkeit der Beteiligung gebe, sodass niemand ausgeschlossen werde. Noch seien nicht alle Hürden in Richtung Digitalisierung der Verfahren genommen, weitere Schritte müssten mit Unterstützung der Länder folgen. Die Kommunen erhielten nun Planungssicherheit, da die Ausnahmeregelungen für Flüchtlingsunterkünfte bis 2027 verstetigt würden. Dass Photovoltaik- und Windanlagen nun auch in Industriegebieten erlaubt würden, sei ein wichtiger Schritt für den Ausbau der erneuerbaren Energien, betonte Cademartori.
Der CDU-Abgeordnete Enak Ferlemann sprach von einem „sehr guten Gesetzentwurf“ und lobte die Koalition dafür, dass sie Elemente des Unionsantrags (20/6174) übernommen habe, weshalb seine Fraktion zustimmen und ihren eigenen Antrag für erledigt erklären könne. Auch er sprach mit Blick auf die Digitalisierung von einem Schritt in die richtige Richtung, wenn auch noch Schnittstellen harmonisiert werden müssten. Sehr gut sei, dass bei den Ausnahmemöglichkeiten auch an Krippen, Kindergärten, Spiel- und Sportanlagen sowie Schulen gedacht worden sei. Die Wiederaufbauklausel werde auf alle Katastrophen angewendet, das könnten auch Waldbrände, Erdbeben oder eine Sturmflut sein.
Carolin Bachmann (AfD) bezeichnete die Bauleitplanung als Herzstück der kommunalen Ordnung und Lenkung. Sie verwies darauf, dass eine digitale Infrastruktur und einheitliche Webseiten fehlten. Man sei noch weit davon entfernt, diese Prozesse digital zu haben. Sie sei überzeugt, so die Abgeordnete, dass der Gesetzentwurf beim Umfang mit Krisen „fehlgeleitet“ ist. Die Kommunen hätten keine Kapazitäten mehr, Bundesprojekte umzusetzen. Sonderregelungen würden verlängert, die Kommunen müssten dies „stemmen“. Kritisch sah sie auch die Ausweitung von Photovoltaik-Anlagen in Gewerbegebieten. Man habe es hierbei mit „Landfraß“ zu tun, was die Kommunen nicht entlaste.
Daniel Föst (FDP) lobte, dass man bei der Digitalisierung vorankomme, dass auf unbebauten Reservegrundstücken in Gewerbegebieten künftig Solarstrom produziert werden könne und dass es eine Planungsbeschleunigung für Katastrophengebiete geben werde. Er sei traurig, dass Sondergesetze notwendig seien, um eine Beschleunigung zu erreichen. Föst betonte, dass von den Sonderregelungen auch Schulen und soziale Einrichtungen profitierten, dass diese also der gesamten kommunalen Bevölkerung zugute kämen.
Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke) wies darauf hin, dass „sich da nichts beschleunigen“ werde, solange nicht der Personalmangel in den Kommunen beseitigt sei. Sie wollte wissen, was mit den vorläufig errichteten Bauten nach dem Fünfjahreszeitraum passiert und warum der Katastrophenfall nicht genauer definiert ist.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bauministerium, Elisabeth Kaiser (SPD), stellte klar, dass die Rückbaupflicht in Wiederaufbaugebieten nach fünf Jahren nach wie vor gelte, es würden keine „Ewigkeitsbauten“ etabliert.
Christina-Johanne Schröder (Grüne) ging ebenfalls darauf ein und sagte, diese Bauten stünden nur für einen begrenzten Zeitraum. weiter führte sie aus, dass die Baubranche auf Menschen aus dem Ausland angewiesen sei, denn es gebe einen Mangel an Fachkräften, Planern, Bauingenieuren und Bauarbeitern. Schröder wies besonders auf die Klausel für Agri-Photovoltaik-Anlagen im Außenbereich hin, durch die es Landwirten erleichtert werde, von Solarenergie zu profitieren.