24.05.2023 Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz — Ausschuss — hib 389/2023

Regierung: Zustand der Oder weiter besorgniserregend

Berlin: (hib/SAS) Der Zustand der Oder bleibt nach dem großen Fischsterben im Sommer 2022 ernst. Zwar habe es auf deutscher Seite des Flusses kein neues massenhaftes Verenden von Fischen gegeben, berichtete die Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesumweltministerium (BMUV), Bettina Hoffmann, am Mittwoch im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Doch dass das Gewässer bereits seit Wochen wieder deutlich erhöhte Leitfähigkeitswerte aufweise, sei „besorgniserregend“. An der automatischen Messstation des Landes Brandenburg in Frankfurt/Oder lägen die Messwerte konstant deutlich über dem polnischen Grenzwert von 850 Mikrosiemens pro Zentimeter. Dies sei ein Indiz für einen erhöhten Salzgehalt des Wassers. Ein stark gestiegener Salzgehalt war Experten zufolge im vergangenen August mitverantwortlich für die massive Vermehrung der für Fische giftigen Brackwasseralge. Auf 500 Kilometer Länge verendeten in einem bislang nicht beobachtetem Ausmaß Fische, Muscheln, Krebse und Schnecken.

Sorge bereite der Bundesregierung aktuell aufgetretene Algenblüten und Fischsterben in zwei Stauseen entlang der Oder nahe der polnischen Stadt Breslau. Das zeige, dass es nicht besonders hohe Temperatur- und Salzgehaltwerte brauche, um eine Algenblüte auszulösen, betonte Hoffmann.

Um mehr über Bedingungen und Wirkmechanismen der Algengifte zu erfahren und ein Frühwarnsystem aufzubauen, unterstütze das BMUV deshalb bereits mit rund 4,8 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren ein Sonderuntersuchungsprogramm. Dabei würden ökologische Schäden dokumentiert und der chemische und ökologische Zustand der Grenzoder engmaschig überwacht, erklärte Hoffmann. Über das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ zur Förderung von Auen und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz seien zusätzliche Fördermaßnahmen möglich.

Die SPD-Fraktion plädierte für einen umfassenden Ansatz zur Sanierung des Flusses: Der ökologische Zustand sei zu ernst und die Probleme zu komplex, um sie mit einzelnen Maßnahmen zu beheben. Hierfür brauche es eine funktionierende Zusammenarbeit mit der polnischen Seite, hieß es aus der Fraktion. Daran habe es im Sommer 2022 gemangelt. Dem Urteil schloss sich die Unionsfraktion an und fragte, auf welchen Ebenen die Bundesregierung Gespräche führe. Meldeketten müssten eingehalten werden.

Die Linke sprach sich zudem für eine Anpassung der Regeln für das Einleiten von Abwässern in Flüsse aus. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) habe eine Überprüfung angekündigt - was daraus geworden sei, wollte ein Mitglied der Fraktion wissen.

Dass das Fischsterben an der Oder nicht nur eine ökologische Katastrophe, sondern auch eine ökonomische für viele Wirtschaftsbranchen gewesen sei, betonte ein Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Um das Ökosystem des Flusses nicht weiter zu schädigen, müsse der Ausbau der Oder gestoppt und das deutsch-polnische Abkommen zu diesem Zweck neu verhandelt werden. Der Forderung der Umweltministerin nach einem Moratorium sollten sich andere Ministerien anschließen, so der Abgeordnete.

Dass die Forderung nach einem Ausbaustopp eine gemeinsame Position der Bundesregierung sei, bezweifelte jedoch die AfD-Fraktion. Wenn es die gemeinsame Position wäre, müsste nun der polnische Vertragspartner um Änderung oder Auflösung des Abkommens gebeten werden. Gebe es hierzu Pläne? Ohne einvernehmliche Lösung gehe es nicht, bemerkte der Abgeordnete.

Gegen einen Ausbaustopp positionierte sich die FDP: Renaturierungsmaßnahmen im Ufer- und Flussauenbereich trage man mit, aber der Ausbau dürfe nicht in Frage gestellt werden, unterstrich ein Mitglied der Fraktion. Das Vertiefen der Fahrrinne diene auch dem Hochwasserschutz. Tatsächlich verweist die polnische Regierung darauf, dass in einer tieferen Fahrrinne im Winter Eisbrecher auf der Oder fahren und so Hochwasser präventiv verhindern könnten. Der FDP-Abgeordnete gab zu bedenken, dass eine Mindestfahrrinnentiefe von 1,80 Meter nicht nur die Binnenschifffahrt sichere, sondern auch für die Fließgeschwindigkeit des Flusses und damit den Abtransport von übermäßigen Algenwachstums wichtig sei.

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