Anhörung zu Reaktion auf den US Inflation Reduction Act
Berlin: (hib/EMU) Der im vergangenen Jahr beschlossene sogenannte Inflation Reduction Act der US-amerikanischen Regierung bietet auch für deutsche Unternehmen Anreize, in den USA in investieren. Aus Sorge vor Abwanderung hat die Europäische Kommission Anfang des Jahres einen Plan zur Unterstützung der grünen Wirtschaft in der EU vorgestellt.
In einer öffentlichen Anhörung hat der Wirtschaftsausschuss am Mittwochvormittag sieben Sachverständige zum Thema gehört. Grundlage der öffentlichen Anhörung waren zwei Anträge von CDU/CSU (20/5352) und Linken (20/6545).
Matthias Krämer, Abteilungsleiter für Außenwirtschaftspolitik im Bundesverband der Deutschen Industrie, berichtete, dass es bereits vor der Einführung des Inflation Reduction Acts (IRA) in den USA ein verstärktes Interesse deutscher Unternehmen am Wirtschaftsstandort USA gegeben habe. Dieses sei nun mit den Anreizen des IRA noch einmal gestiegen. Momentan könne er jedoch noch keine belastbaren Zahlen nennen, in welcher Höhe die Investitionen in den USA angestiegen seien. „Entscheidungen für Investitionen sind immer multifaktorell“, sagte Krämer, deshalb sei es schwierig, diese alleine auf den IRA zu beziehen.
Niklas Potrafke, Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie, sah die Frage nach Subventionen in Deutschland als Reaktion auf den IRA kritisch: „Wir sollten uns mit weiteren Subventionen zurückhalten“, so Potrafke. Man könne bereits einen „Überbietungswettbewerb“ beobachten. Statt zu subventionieren, sei es sinnvoller, Geld in Infrastruktur zu investieren oder die Forschung und Entwicklung besser zu fördern, „damit Unternehmen einen Anreiz haben, lange bei uns zu bleiben“, schloss der Sachverständige.
Mariana Mazzucato, Professorin für Economics of Innovation & Public Value and Founding am University College London, empfahl die Steuerung des Marktes anhand klarer Konditionen. „Um Wachstum in der Industriepolitik zu steuern, muss man Wachstum in allen Sektoren steuern“, sagte Mazzucato. Es müsse sichergestellt werden, dass das Geld, das dafür bereitgestellt wird, in den richtigen Bereichen ankomme, auch um den Klimaschutz oder faire Arbeitsbedingungen zu fördern. Sie nannte unter anderem den grünen Stahl aus Deutschland als Beispiel, wie nachhaltige Industriepolitik neue Chancen ermögliche.
Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft, befand, „dass wir nicht gut beraten sind, unsere Wirtschaftspolitik immer darauf reagieren lassen, was in anderen Teilen der Welt passiert“. Er warnte ebenfalls vor einem Subventionswettlauf, der entstünde, wenn man zur Kompensation dem IRA ähnliche Maßnahmen beschließen würde. „Das führt dazu, dass Staaten im Standortwettbewerb gegeneinander ausgespielt werden“. Vom sogenannten Matching Clause, wie es der European Industrial Plan, die Reaktion der EU auf den IRA, vorsieht, ist aus Kooths Sicht abzusehen.
Ulrich van Suntum von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Münster warnte davor, dass die EU nicht in einen Wettbewerb untereinander eintreten solle: „Die Stärke der EU liegt in ihren 27 Mitgliedsstaaten.“ Es müsse ein Ideenwettbewerb zugelassen werden, der Zentralismus ausschließt, sagte van Suntum. In Sachen Klimaschutz sagte er: „Null Emissionen bedeuten hierzulande enorme Kosten, damit ruinieren wir noch unsere Industrie.“ Stattdessen solle man lieber andere Länder, in denen man nur einen Bruchteil der Kosten für Emissionen verursachen würde, dabei unterstützen, CO2 zu sparen.
Tom Krebs, Professor für VWL, Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim, war der Ansicht, man sollte den IRA als eine Neujustierung der Klima- und Wirtschaftspolitik verstehen. Statt wie in Europa auf den CO2-Preis in den Mittelpunkt zu stellen, fokussiere sich die US-Wirtschaftspolitik auf die Unterstützung der Menschen und Unternehmen: „Ich halte das für richtig, denn es ist ein positives Signal.“ Einen Industriestrompreis, der die momentane Phase der hohen Energiekosten überbrücken würde, halte er für sinnvoll, so Krebs.
Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe, sah kein Problem im Instrument der Fördermittel. Es sei zu beobachten, dass Unternehmensinvestitionen in Deutschland seit dem Hoch der Wiedervereinigung abgenommen haben. „Das ist eine Entwicklung, die man mit vielen Instrumenten angehen muss, dafür braucht es gezielte Unterstützungsmaßnahmen“, so Köhler-Geib. Unter den Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschlands beeinflussen, seien unter anderem die Fachkräfte zentral, hier müsse dafür gesorgt werden, dass der Mangel behoben werde.
Die Anhörung im Video, die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen sowie die Drucksachen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw19-pa-wirtschaft-inflation-reduction-act-944710
Die hib-Meldung zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-931138
Die hib-Meldung zum Antrag der Fraktion Die Linke: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-945108