Potentiale der Kreislaufwirtschaft für den Klimaschutz
Berlin: (hib/HAU) „Der wichtigste Punkt bei einer nationalen Kreislaufstrategie ist die Betrachtung von Rezyklatmärkten.“ Diese Auffassung vertrat Peter Kurth, Geschäftsführender Präsident beim Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft, während eines öffentlichen Fachgespräches des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend. „Wir brauchen nicht nur die Anstrengungen der Recycling- und Entsorgungsindustrie, sondern auch Absatzmärkte für Rezyklate“, sagte er. Dies zeige, dass Kreislaufwirtschaft auch ein Teil der Wirtschaftspolitik sein müsse. Gebraucht werde eine Industrie, die durch geeignete Maßnahmen motiviert wird, auf Kunststoffabfälle zurückzugreifen, sagte Kurth.
Zudem müsse der Blick geweitet werden. Die Rohstoffstrategien in Deutschland zielten immer nur auf Primärrohstoffe ab. Es müssten aber zusätzlich auch die weltweiten Rezyklatmärkte in den Blick genommen werden.
Kurth rückte den Gebäudesektor in den Mittelpunkt der Betrachtungen. „Die Frage, wie wir bauen, und wie wir die Gebäudesubstanz im Kreislauf halten, ist wahrscheinlich für das Thema Energie- und Klimaschutz die entscheidende Baustelle“, sagte er. Die öffentliche Hand sei hier gefordert. Sie könne als Bauherr für die benötigten Markteffekte sorgen. Dass es immer noch Kommunen gebe, die bei ihren Ausschreibungen den Einsatz von Rezyklaten ausschließen, sei daher nicht zu verantworten, befand er.
Janine Korduan vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält indes das Potential der Kreislaufwirtschaft für überschätzt. Um Produkte und Materialien wieder zu nutzen, brauche es erhebliche Mengen an Energie und Primärmaterialien, sagte sie. Bei jedem Recyclingvorgang gebe es Material- und Energieverluste. „Es gibt keine verlustfreie Kreislaufwirtschaft“, betonte Korduan. Primäres Ziel zirkulären Wirtschaftens könne es daher nicht sein, Materialien „irgendwie im Kreis zu führen“. Vielmehr gelte es, den Verbrauch von Primärrohstoffen absolut zu senken.
Korduan wollte daher bei den Betrachtungen auch nicht die Rezyklatmärkte in den Mittelpunkt gestellt wissen. Wichtiger sei es, Produkte als solche auch zu erhalten. Beim Bausektor etwa müsse es weniger um Neubau als vielmehr um Umnutzung gehen. „Wir brauchen nicht immer neue Einkaufszentren. Es gibt genug, was wir umnutzen können“, sagte sie.
Die zirkuläre Wirtschaft habe für die chemische Industrie eine neue und zusätzliche Bedeutung errungen, weil das der zentrale Punkt sei, um die chemische Industrie schlussendlich auch treibhausgasneutral zu machen, sagte Jörg Rothermel, Bereichsleitung Energie, Klimaschutz und Rohstoffe beim Verband der Chemischen Industrie. „Wir werden nur dann Treibhausgasklimaneutralität in der chemischen Industrie erreichen können, wenn es uns gelingt, den benötigten Kohlenstoff auch vollständig im Kreis zu fahren“, sagte er.
Klar sei aber auch, dass schon zu Beginn der Produktionskette so wenig Material wie möglich verwendet werde. Die sinnvollste Kreislaufführung sei die Produktion wiederverwendbarer Produkte, die nicht entsorgt werden müssen, sagte Rothermel. Wo das nicht geht gelte es, das zurückgenommene Material mit einem möglichst geringen Energieeinsatz in das gleiche Material wieder umzuarbeiten. „Das muss ausgeweitet werden“, betonte er. Es müsse aber auch der Kohlenstoff in den Kreislauf zurückgeholt werden, der bei einer Verbrennung oder Zersetzung von Material in die Atmosphäre gelange.
Das Fachgespräch im Video auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw13-pa-nachhaltigkeitsbeirat-kreislaufwirtschaft-938566