Demokratie fördern und verteidigen
Berlin: (hib/HARI) Grundsätzlich positiv bewerten Fachleute den Entwurf der Bundesregierung zur Demokratieförderung (20/5823), sehen aber Verbesserungsbedarf, wie eine Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montag zeigte.
Christopher Gohl vom Weltethos-Institut in Tübingen unterstützte zwar den Entwurf, sah aber dennoch „viele Baustellen“. So bemängelte er, dass das Ehrenamt dort nicht verankert sei. Des Weiteren findet Gohl das „Leitbild der wehrhaften Demokratie“ unangemessen, weil es zu sehr auf sicherheitspolitische Aspekte abhebe. Entscheidend sei hingegen die Frage, wie die liberale Demokratie den Herausforderungen des Klimawandels begegne. „Wir müssen zwar auch den Extremismus bekämpfen“, aber Demokratieförderung dürfe sich nicht darin erschöpfen. Wichtig sei, dass das Gesetz kein „Instrument der Erziehung von Bürgerinnen und Bürgern“ bis weit in die Mitte der Gesellschaft werde. Es solle eine breite Debatte darüber geführt werden, welches „Leitbild von Demokratie“ gefördert werden solle.
Der Juraprofessor Ralf Halfmann stellte die Frage, ob ein solches Gesetz überhaupt nötig sei. „Befremdlich“ sei, dass laut Entwurf der Staat eigene Maßnahmen ergreifen wolle, der Bund hier also auch an sich selbst denke. Der Staat dürfe private Bildungsträger nicht verdrängen oder deren Projekte an sich ziehen. Halfmann sieht hier einen Konflikt mit dem Subsidiaritätsprinzip. Aus dem Gesetzentwurf gehe außerdem nicht hervor, ob der „weltanschauliche Pluralismus“ wirklich gewahrt werden könne. Das Erfordernis der demokratischen Ausrichtung geförderter Träger und Projekte sei im Entwurf zu wenig konkretisiert.
Für Heiko Klare vom Bundesverband Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus stellt dagegen der Entwurf ein „sehr wichtiges Signal“ dar „für alle, die die Demokratie schützen wollen“ und sich zivilgesellschaftlich engagierten. Die langjährige Erfahrung aber zeige,, dass die Akteure professionelle Unterstützung bräuchten. Diese erfordere allerdings auch eine ausreichende Finanzierung, die im Gesetz verankert werden müsse. Darüber hinaus hält Klare es für wichtig, Beteiligungsrechte der Projektträger im Gesetz zu regeln.
Robert Kusche vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt verwies darauf, dass solche Taten auf weit verbreiteten Ausgrenzungsideologien beruhten. Nach Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) würden pro Jahr 248.000 Menschen „rassistisch körperlich angegriffen“. Die Opferberatung müsse daher gestärkt und die Förderung bedarfsgerecht ausgestaltet werden. Die Förderinstrumente seien aber auf dem Stand von 2014 stehengeblieben. Das müsse sich dringend ändern. Der Extremismusbegriff, den der Entwurf enthalte, sei zu vage. Kusche plädierte dafür, stattdessen von einer „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ zu sprechen, deren Opfer Schutz verdienten.
Der Psychologe und Islamismusexperte Ahmad Mansour begrüßte ebenfalls die Gesetzesinitiative. Träger und Projekte benötigten eine langfristige Finanzierung für ihre Planungssicherheit. Der Experte meldete aber auch Kritik an und verlangte Transparenz der Auswahlkriterien. Die Chance auf Förderung dürfe nicht von der „Ideologie“ eines Projektes oder dessen Nähe zu Regierenden abhängen. In dem Zusammenhang kritisierte er die bisherige Praxis der Förderung, von der in Einzelfällen auch Vertreter des politischen Islam profitiert hätten. Mansour betonte, dass fundamentalistische Radikalisierung nicht ausschließlich auf Diskriminierungserfahrungen zurückgehe, sondern ebenso Auswuchs eines eigenen ideologischen Weltbildes sein können.
Timo Reinfrank von der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD) sowie der Amadeu Antonio Stiftung (AAS) lobte den Entwurf, weil er auf „dauerhafte Demokratieförderung“ und „weg von der Befristung“ auf höchstens zwei Förderperioden ziele. Reinfrank forderte zudem, eine „institutionalisierte Form der Beteiligung“ von Projektträgern im Gesetz festzuschreiben.
„Es gibt derzeit einen Krieg gegen die Demokratie“, sagte der Passauer Politikwissenschaftler Lars Rensmann. Er beklagte eine „verbreitete Abkehr vom demokratischen Verfassungsstaat“. Hier müsse der Staat reagieren, um freiheitsgefährdende Ideologien zu bekämpfen. Er begrüße deshalb ein Gesetz, dass neue und verstärkt Maßnahmen fördere, um die Demokratie zu verteidigen.
Die Politikwissenschaftlerin Andrea Szukala, Uni Augsburg, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB) begrüßte, dass die gesellschaftlich getragene Bildungsarbeit auf „stabile Grundlagen“ gestellt werde. Sie sieht jedoch auch Klärungsbedarf, insbesondere was den Begriff der Politischen Bildung angehe und die Abgrenzung von Extremismus-Prävention. Präventionsarbeit müsse sich von politischer Bildungsarbeit deutlich unterscheiden. In der vorliegenden Fassung berge der Gesetzentwurf die Gefahr, die Politische Bildung zu schwächen.
Ali Ertan Toprak von der Kurdischen Gemeinde in Deutschland e.V. Berlin, kritisierte den Entwurf scharf: „Eine jahrelang einseitige und schlechte Praxis wird hier zum Gesetz“. Toprak warnte vor der Gefahr, auch Organisationen oder Projekte zu finanzieren, die eine „Täter-Opfer-Umkehr“ betrieben. Er persönlich habe die meisten Rassismus-Erfahrungen mit „türkischen Nationalisten“ gemacht.
Der Verfassungsjurist Tim Wihl äußerte Zweifel an der Regelungskompetenz des Bundes: Extremismusprävention sei Ländersache. Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag bewertete den Entwurf positiv, wies aber daraufhin, dass die Vernetzung der Akteure vor Ort unabdingbar sei. Hier bestehe „Nachbesserungsbedarf“. Die Vernetzung der Träger auf lokaler Ebene müsse als Förderkriterium in das Gesetz aufgenommen werden.