Experten: Weiter Änderungsbedarf an Preisbremse-Gesetzen
Berlin: (hib/MIS) Eine von den Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP geplante Änderung des Preisbremsegesetzes (20/5994) war am Montag, den 27. März 2023 Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Klimaschutz und Energie.
Konkret geht es um zwei größere Änderungen: Die am 24. Dezember 2022 in Kraft getretenen Gesetze zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) und zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (EWPBG) sehen eine Prüfbehörde vor. Angesichts der umfangreichen und komplexen Aufgaben, die die Prüfbehörde im Rahmen des Gesetzesvollzugs übernehmen soll, planen die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP den Kreis der für die Aufgabenwahrnehmung in Frage kommenden Personen oder Institutionen um juristische Personen des Privatrechts zu erweitern. Zudem wird vorgesehen, dass ab dem 15. Februar 2023 auch äquivalente Absicherungsgeschäfte, die in ihrer Wirkung einem Absicherungsgeschäft an der Energiebörse European Energy Exchange AG in Leipzig (EEX) entsprechen, gemeldet werden dürfen.
Deutschland sei gut durch den Winter gekommen, besser als man das vor einem halben Jahr gedacht habe, sagte Sebastian Bolay von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) - und fügte sogleich ein deutliches „Aber“ an. Die gesetzliche Umsetzung der Preisbremsen habe in den vergangenen Wochen in der Wirtschaft zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt und sehr viele Ressourcen gebunden. Aufgrund der Dringlichkeit und der Geschwindigkeit, mit der die Bundesregierung die Gesetze vorbereitet habe, bestehe für zahlreiche Aspekte nach wie vor Klärungsbedarf, für die das Reparaturgesetz keine Regelungen liefere. Dazu zählten etwa Probleme für die Unternehmen, die mehr als zwei Millionen Euro Beihilfen in Anspruch nehmen wollen; des Weiteren der falsche Referenzpunkt (2021, im Lockdown, hätten die Unternehmen teils sehr viel weniger Energie verbraucht) - und es sei nach wie vor unklar, welche anderen Beihilfen mit Blick auf die Höchstgrenze einberechnet werden müssten.
„Wir haben schon wieder ein Reparaturgesetz“, stellte Rechtsanwalt Wieland Lehnert fest. Es sei aber gut, dass das Gesetz repariert und korrigiert werde. Das Gesetzgebungsverfahren sei ein sehr schnelles gewesen, was auch notwendig gewesen sei, weil es Vorgaben von EU-Seite umzusetzen galt. Dass es für nötige Prüfungen Private brauche, sei aber kritisch zu bewerten: „Hoheitliche Aufgaben sollten vom Staat wahrgenommen werden“, sagte Lehnert. Er warb deshalb für ein Ausschreibungsverfahren, um sicherzustellen, dass es eine Auswahl gebe, bei der unter anderem darauf zu achten sei, dass Interessenkonflikte vermieden und auf die Unabhängigkeit der Bewerber geachtet werde.
Die allgemeine Lage im Energiemarkt sei gut, sagte Barbara Maria Lempp vom Verband Deutscher Energiehändler. Für Endkunden habe mit dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen aber eine problematische Zeit begonnen. Auch für Energieunternehmen bedeute er große Herausforderungen. Doch der Markt habe geliefert und die Gasbeschaffung für Europa sei auf neue Beine gestellt worden. So gesehen sei es sehr problematisch, dass erlaubte Erlöse und Gewinne vom Staat vorgeschrieben würden. Das Eingreifen des Staates verhindere eine nachfragegerechte Produktion, eine vernünftige Preisbildung und führe zu Verzerrungen. Deswegen sei es wichtig, dass man das Abschöpfen von Übergewinnen beende und wieder auf den Markt setze. Motto: „Besser das Immunsystem stärken als an Erkältungssymptomen herumdoktern“.
Die Möglichkeit der Verlängerung des Abschöpfungszeitraumes durch Rechtsverordnung über den 30. Juni 2023 hinaus sollte aus dem Gesetz gestrichen werden forderte Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Der Abschöpfungsmechanismus zur Finanzierung der Strompreisbremse bleibe aus VKU-Sicht ein grundsätzlicher Fehler, weil nicht Gewinne, sondern Erlöse abgeschöpft würden - auch dann, wenn gar keine Gewinne entstünden.
Des Weiteren forderte Liebing, dass die Missbrauchstatbestände auf Sachverhalte beschränkt werden, bei denen tatsächlich die Gefahr einer unberechtigten Inanspruchnahme der Preisbremsen bestehe. Die Sicherheitszuschläge für feste Biomasse, Abfall, Klärschlamm, Klärgas und Grubengas sollten deutlich angehoben werden. Bei anlagenbezogenen Vermarktungsverträgen sollten Anlagenbetreiber stets die Möglichkeit haben, die Überschusserlöse auf der Grundlage individueller Erlöse anstelle von Spotmarktpreisen oder Monatsmarktwerten zu ermitteln. Dies sollte auch für anlagenbezogene Vermarktungsverträge gelten, die zwischen verbundenen Unternehmen abgeschlossen werden. „Wir begrüßen, dass mit dem vorliegenden Entwurf nun vorgesehen ist, dass ab dem 15. Februar 2023 auch solche Absicherungsgeschäfte, die in ihrer Wirkung einem Absicherungsgeschäft an der Energiebörse European Energy Exchange AG in Leipzig (EEX) entsprechen, gemeldet werden dürfen.“ Die Vorgaben zur Berücksichtigung von Absicherungsgeschäften sollten aber noch mehr an die Praxis angepasst werden
Weiteren Verbesserungsbedarf sieht auch Maximilian Rinck vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der BDEW begrüße aber im Grundsatz sehr, dass der Gesetzgeber kurzfristig Anpassungen zu Preissicherungsmeldungen für zukünftige Absicherungsgeschäfte bei der Überschusserlösabschöpfung auf den Weg gebracht habe. Der BDEW begrüßt sehr, dass der Gesetzgeber kurzfristig rückwirkend zum 15. Februar 2023 klarstellt, dass auch außerbörsliche Handelsgeschäfte als Grundlage für Preissicherungsmeldungen nach Paragraf 17 Nr. 2 i.V.m. Anlage 5 StromPBG dienen können. Die Formulierungshilfe adressiere jedoch nicht die Fälle, bei denen zum Beispiel interne Geschäfte als Fahrpläne abgesichert werden, da diese nicht oder nur schwer auf standardisierte EEX-Lieferprofile abgebildet werden können.
Carsten Rolle vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) stieß ins gleiche Horn. Für viele liefen die Preisbremsen ins Leere, sagte Rolle. „Deswegen ist es unser starker Wunsch mit dieser Novelle nicht abzuschließen“, appellierte Rolle an den Gesetzgeber und forderte, weiter in der EU darauf zu dringen, dass die beihilferechtlichen Bedingungen geändert werden.
Christine Wilckens sieht aus Sicht der Kommunalen Spitzenverbände drei Änderungsbedarfe. Zum einen fehle es an Rechtssicherheit für kommunale Beteiligungen bei nicht- oder teils nichtunternehmerischen Betätigungen - so entstehe für Kommunen ein enormer Graubereich etwa bei Kindergärten, von denen manche kommunal, andere privatwirtschaftlich betrieben würden. Ein Problem sei die Beantragungsfrist. Diese bringe die Kommunen in Bedrängnis, denn die Beantragung sei so komplex, dass das in der vorgesehenen Zeit kaum zu schaffen sei. Und auch sie schloss mit dem Appell: „Bitte die Abschöpfung nicht verlängern.“