DFB-Präsident verteidigt Verzicht auf One-Love-Binde
Berlin: (hib/HAU) Der Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Bernd Neuendorf, hat vor dem Sportausschuss am Mittwoch die Entscheidung verteidigt, den Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft, Manuel Neuer, beim ersten Gruppenspiel der WM 2022 in Katar ohne die One-Love-Binde auflaufen zu lassen. Daran ändere auch die in Deutschland zu hörende öffentliche Kritik, vor der Fifa eingeknickt zu sein, nichts, so Neuendorf vor den Abgeordneten. „Ich konnte in dieser Situation nicht anders entscheiden“, sagte er.
Der DFB-Präsident erläuterte vor dem Ausschuss auch den Vorlauf zum Verzicht des Tragens der Binde. Gemeinsam mit den anderen europäischen Teilnehmern der WM habe man mit der One-Love-Kapitänsbinde ein Zeichen für Vielfalt, Offenheit, Toleranz und Menschenrechte setzen wollen, sagte er. Beim die WM ausrichtenden Weltfußballverband Fifa habe der DFB schon im September 2022 angekündigt, die Binde tragen zu wollen, habe aber keine Rückmeldung bekommen. Auch eine Nachfrage im Oktober sei ergebnislos geblieben. Ohne Fifa-Reaktion sei auch die Tatsache geblieben, dass Kapitän Neuer die Binde bei Vorbereitungsspielen auf die WM getragen habe. Dadurch sei der Eindruck entstanden, die Fifa werde das Tragen der Binde tolerieren und schlimmstenfalls eine Geldstrafe im Nachgang verhängen, sagte Neuendorf.
Erst am Tag des Eröffnungsspiels der WM habe die Fifa erkennen lassen, dass mit Strafen zu rechnen sei, die über Geldstrafen hinausgehen, ohne das Konkretes erläutert worden sei. Der englischen Mannschaft, die als erste europäische Mannschaft in das Turnier startete, sei dann aber mit „unlimitierten sportlichen Sanktionen“ gedroht worden. Sanktionen, die also auch über eine gelbe Karte hätten hinausgehen können, wie der DFB-Präsident sagte. Daraufhin sei entschieden worden, die Spieler nicht der Gefahr solch sportlicher Sanktionen auszusetzen, „obwohl Manuel Neuer die Binde sehr gerne getragen hätte“. Schließlich, so Neuendorf, habe man Weltmeister werden wollen.
Auf Nachfrage betonte der DFB-Präsident, keinerlei Druck auf die Mannschaft ausgeübt zu haben, eine alternative Protestform zu suchen, um ein Zeichen zu setzen. „Eine derartige Erwartung wurde nicht geäußert.“ Die Entscheidung, auf dem Mannschaftsfoto vor dem ersten Gruppenspiel sich den Mund zuzuhalten und damit gegen das Binden-Verbot der Fifa zu protestieren, sei im Mannschaftsrat besprochen und gefasst worden. Einen Einfluss der Diskussionen rund um die One-Love-Binde auf die Leistungen der Spieler in dem Spiel verneinte Neuendorf. Er könne sich nicht vorstellen, dass nach guten 70 Minuten den Spielern plötzlich die Bindendebatte in den Sinn kommt und ihre Leistung daher stark abfällt.
Der nach dem Turnier installierte neue Direktor der A-Nationalmannschaft der Männer, Rudi Völler, ging auf sportliche Aspekte des frühen Scheiterns der deutschen Mannschaft bei der WM ein. Das Team sei top besetzt gewesen, so Völler. Es habe aber ein Stück weit die Hingabe, das unbedingte Wollen gefehlt, befand er und zog den Vergleich zu den Weltmeistern aus Argentinien, die jederzeit den Eindruck vermittelt hätten, „auf einer Mission zu sein“. Völler erinnerte an seine Zeit als aktiver Nationalspieler. Bei der WM 1990 habe die deutsche Nationalmannschaft mit großem Enthusiasmus den Titel geholt. Vier Jahre später sei das Team - obwohl noch besser besetzt - schon im Viertelfinale ausgeschieden, weil die letzten paar Prozent gefehlt hätten, um erfolgreich zu sein.
Völler kündigte an, künftig auch bei der Nachwuchsausbildung an der Willensschulung arbeiten zu wollen. Sein Ziel sei es außerdem mit Blick auf die EM 2024 im eigenen Land wieder die Begeisterung für das Nationalteam zu wecken, die zuletzt etwas abgeflaut sei. Der DFB wolle mit kinderfreundlichen Anstoßzeiten sowie öffentlichen Trainings die Fans wieder zurückgewinnen, kündigte der Direktor der A-Nationalmannschaft an. „Das Allerwichtigste ist aber, mit Leistung und Auftreten auf und neben dem Platz zu überzeugen“, betonte Völler.
Die Aufzeichnung der Ausschusssitzung steht ab Donnerstag, 2. März 2023, ab 15 Uhr, auf bundestag.de bereit: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a05_sport/anhoerungen/932682-932682