Bejagung von Wölfen bei Experten umstritten
Berlin: (hib/SAS) Die CDU/CSU-Fraktion ist mit ihrem Antrag auf Bejagung von Wölfen als Teil eines Bestandsmanagements (20/3690) in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz am Mittwoch auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während ein Teil der Sachverständigen die Initiative der Union begrüßte, lehnten andere die Bejagung des Wolfes klar ab.
So gab Ilka Reinhardt vom Lupus Institut für Wolfsmonitoring- und forschung in Deutschland zu bedenken, dass die Bejagung von Wölfen nicht unbedingt zur Befriedung von Konflikten führe. Das zeigten die Beispiele Schweden und Frankreich, die die Union in ihrem Antrag als Vorbild herangezogen hatte, deutlich. Um die Weidetierhaltung zu erhalten und Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere zu verringern, plädierte Reinhardt stattdessen für einen „richtig umgesetzten, funktionstüchtigen“ Herdenschutz. Wissenschaftlich sei erwiesen, dass dieser am besten geeignet sei, um Wolfsrisse zu reduzieren. Schutzmaßnahmen wie Zäune, Schutzhunde und Behirtung seien selbst an Deichen und in Bergregionen möglich. Das belegten zahlreiche Beispiele. Was es brauche, sei eine bessere fachliche Begleitung der Weidetierhalter.
Ähnlich argumentierte auch Carsten Nowak vom Seckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt: Er bezeichnete die Ausbreitung des Wolfes einen „wichtigen Schritt hin zu einem artenreichen und resilienten Ökosystem“. Gleichwohl räumte auch er Konflikte im Zusammenleben mit dem Wolf ein: Die Zahl der Nutztierschäden steige mit der wachsenden Population - jedoch sei die „Korrelation schwächer, als man denken könne“, so Nowak und verwies auf das Beispiel Norwegen. Dort gebe es nur wenige Wölfe, trotz Bejagung seien dort aber die Schäden enorm. Grund sei der fehlende Herdenschutz. In „gut implementierten Herdenschutzmaßnahmen“ sah der Sachverständige zudem überhaupt erst die Voraussetzung für „evidenzbasiertes, wissenschaftliches Wolfsmanagement“.
Norman Stier, Professor für Forstzoologie an der Universität Dresden, betonte die Bedeutung belastbarer Daten: Um den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes zu messen und sicherstellen, brauche es weiterhin ein „solides Monitoring“ - dieses sei auch die Basis für Bestandsmanagement und Entnahme von Wölfen.
Eine „Anpassung des Wolfsmanagements an die tatsächlichen Gegebenheiten“ forderte hingegen Stefan Völl von der Vereinigung der Deutschen Landesschafzuchtverbände (VdL) und signalisierte Zustimmung zum Unionsantrag: Die Weidetierhalter seien nach 20 Jahren im Umgang mit dem Wolf „zunehmend frustriert“, sagte der VdL-Geschäftsführer in der Anhörung. Herdenschutz sei für sie „eine Selbstverständlichkeit - da wo er möglich sei“. Dennoch habe man „über 1.000 Übergriffe und 4.000 getötete oder verletzte Tiere“, so Völl. „Wir müssen einsehen, dass es hundertprozentigen Herdenschutz nicht gibt.“ Übergriffige Wölfe müssten unverzüglich entnommen werden. Das dürfe angesichts der jährlich wachsenden Zuwachsraten von 30 Prozent auch nicht zu Diskussionen führen.
Für einen „zügigen und konsequenten Abschuss“ von Wölfen, wenn Nutztieren trotz Herdenschutz Schaden drohe, plädierte auch Andreas Schenk vom Bundesverband der Berufsschäfer. Diese müsse auch dann gelten, wenn Herdenschutz nachweislich technisch nicht umsetzbar oder wirtschaftlich unzumutbar sei. Neben Herdenschutz und dem Ausgleich aller Kosten im Zusammenhang mit dem Wolf seien das die Grundbedingungen, um einen konsensfähigen Rahmen für die Koexistenz von Mensch und Tier zu schaffen.
Gegen Jagdquoten und Obergrenzen positionierte sich Frank Hahnel vom Schafzuchtverband Berlin Brandenburg: Nicht eine bestimmte Zahl von Wölfen sei seiner Meinung nach problematisch, sondern ein bestimmtes Verhalten der Tiere. daher müssten die entnommen werden, die Weidetiere gefährdeten - unabhängig von einer festgelegten Zahl. Quoten seien ebenso abzulehnen, denn es sei zu befürchten, dass Rudel durch Bejagung geschwächt und erst recht gezwungen würden, Schafe oder Ziegen anzugreifen, so Hahnel in seiner Stellungnahme.
Sven Herzog, Professor für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Universität Dresden, sprach sich dafür aus, „die zwei blinden Flecken im derzeitigen Wolfsmanagement zu beseitigen“: So müsse man sich zum einen mit dem Mangel an Wild- und Beutetieren befassen. In vielen Regionen dürften mögliche Beutetiere wie Rotwild gar nicht leben - das führe dazu, dass Wölfe sich zunehmend Herden- und Nutztiere als Beute suchten. Der zweite blinde Fleck sei die Entnahme von Wölfen, so Herzog. Auch hierüber müsse man „intensiver nachdenken“.
Vor einer weiteren Ausbreitung der Wölfe warnte Marcel Züger, Biologe und Geschäftsführer des Schweizer Ökoberatungsunternehmens Pro Valladas: Die wachsende Population des Wolfes habe gerade für die Biodiversität Folgen: Kulturlandschaften wiesen oftmals eine höhere Artenvielfalt auf als die „reine Wildnis“. Wenn Weidetierhaltung nicht mehr möglich sei, gingen „Edelstücke des Naturschutzes“ verloren. Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune stellten zudem ein Hindernis und eine Gefahrenquelle für kleinere Tiere wie wandernde Amphibien und Reptilien dar, die sich darin verfangen und verletzen könnten. Zäune seien somit das Gegenteil von „Wildtierbrücken“, auf die man im Naturschutz sonst großen Wert lege und sogar extra anlege.
Ähnlich äußerte sich auch Anton Larcher vom Tiroler Jägerverband, der durch die unkontrollierte Ausbreitung des Wolfes bereits die Almwirtschaft in Österreich gefährdet sah. Viehhalter hätten hier viel für den Herdenschutz getan, dieser sei aber „gescheitert“. Lacher plädierte daher für die Einrichtung von „wolfsfreien Zonen“. Das Wolfsmonitoring müsse zudem EU-weit harmonisiert werden, sodass Wölfe im Grenzgebiet nicht unterschiedlich erfasst und nummeriert würden, so Larchers Empfehlung.
Michael Brenner, Professor für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Jena, unterstrich ebenfalls die Notwendigkeit eines Bestandsmanagements. Dieses müsse aber den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes entsprechen. Danach müsse der Wolfsbestand unter anderem nicht nur national, sondern auch regional ermittelt und der günstige Erhaltungszustand auf beiden Ebenen gesichert bleiben. Was ein günstiger Erhaltungszustand sei, müsse definiert werden, der Gesetzgeber könne hier einen „Akzeptanzkorridor festlegen“.
Für eine mittelfristige Regulierung angesichts des sich schnell erhöhenden Wolfsbestands sprach sich schließlich auch Alexander Kramer für den Deutschen Landkreistag aus. Es müsse ein „maßvoller Ausgleich“ zwischen den Belangen des Naturschutzes und der Abwehr von Gefahren und weidetierwirtschaftlicher Schäden gefunden werden. Die Schaffung wolfsfreier Zonen jedoch sah Kramer angesichts der juristischen Lage skeptisch und schlug unter anderem vor, „mildere Mittel“ zu prüfen, wie etwa wie den Einsatz von Herdenschutzhunden oder Ultraschallhalsbändern, die über Sensoren Alarm schlagen und Wolfangriffe stoppen.