Vereinsrecht: Weitergehende Regelung gefordert
Berlin: (hib/SCR) Vorschläge, hybride Versammlungen im Vereinsrecht grundsätzlich zu ermöglichen, sind am Mittwochnachmittag bei einer öffentlich Anhörung im Rechtsausschuss auf einhellige Zustimmung bei den geladenen Sachverständigen gestoßen. Grundlage der Anhörungen waren wortgleiche Gesetzentwürfe des Bundesrates (20/2532) sowie der CDU/CSU-Fraktion (20/4318) sowie ein Vorschlag der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der in Form eines Änderungsantrages zum Gesetzentwurf des Bundesrates vorliegt. Die Expertinnen und Experten sprachen sich dabei insbesondere für den Vorschlag der Koalitionsfraktionen aus. Sie forderten indes mehrheitlich, an die Sonderregelung während der Corona-Pandemie anzuknüpfen und auch rein virtuelle Versammlungen zu ermöglichen.
Unionsfraktion und Bundesrat schlagen vor, einen neuen Absatz 1a im Paragrafen 32 des Bürgerlichen Gesetzbuches einzufügen: „Der Vorstand kann auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der Bild- und Tonübertragung teilnehmen und Mitgliederrechte auf diesem Wege ausüben können.“
Die Koalitionsfraktionen wiederum schlagen einen neuen Absatz 2 vor: „Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können. Wird die Ausübung von Mitgliederrechten ohne Anwesenheit am Versammlungsort nach Satz 1 zugelassen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“
Aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Magnus Habighorst von der Humboldt-Universität zu Berlin, der den erkrankten Professor Gregor Bachmann und seine Stellungnahme vertrat, sind beide Ansätze begrüßenswert. Vorzugswürdig sei der Vorschlag der Koalition, da dieser sich unter anderem durch Technologieoffenheit auszeichne. In der schriftlichen Stellungnahme führte Bachmann zudem an, dass diese Lösung nicht nur den Vorstand ermächtige, hybride Versammlungen einzuberufen. Die Regelung greife über Verweise zudem für Vorstandssitzungen. Bachmann verwies zudem darauf, dass beide Entwürfe dem Vorstand nicht erlaubten, eine reine virtuelle Mitgliederversammlung abzuhalten. Damit bliebe der Entwurf hinter dem Genossenschaftsrecht zurück, decke sich aber mit dem Recht von Wohnungseigentümerversammlungen und Aktiengesellschaften. „Als gesetzliches Auffangmuster überzeugt das, weil die rein virtuelle Versammlung Teilnahmemöglichkeiten beschneiden“, argumentierte der Rechtswissenschaftler in der Stellungnahme. Vereine, die rein virtuelle Mitgliederversammlungen ermöglichen wollten, könnten dies über eine Satzungsänderung tun.
Aus Sicht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DSOB) sollte es indes „im pflichtgemäßen Ermessen“ des Einberufungsorgans stehen, ob eine Versammlung in Präsenz, hybrid oder virtuell stattfindet, wie der Justiziar des DSOB, Hendrik Pusch, ausführte. Grundsätzlich unterstützte Pusch den Vorschlag der Koalitionsfraktionen, schlug aber eine alternative Formulierung vor, die auch eine Verpflichtung der Mitglieder zu einer virtuellen Versammlung vorsieht.
Für den Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. forderte Verena Staats ebenfalls die Möglichkeit im Vereinsrecht, rein virtuelle Versammlungen einberufen zu können. Sie wies darauf hin, dass bei Stiftungen Satzungsänderungen wesentlich aufwendiger sind als bei Vereinen. Die vorgesehenen Regelungen im Entwurf des Bundesrates beziehungsweise der Unionsfraktion griffen zu kurz, böten zu wenig Rechtssicherheit und Flexibilität. Neben der Möglichkeit zu rein virtuellen Versammlungen forderte Staats - wie im Koalitionsvorschlag vorgesehen - eine Erweiterung auf alle Formen der „elektronischen Kommunikation“ sowie eine gesonderte Berücksichtigung von Stiftungen in der Gesetzesbegründung.
Der Bundesbeauftragte für Vereinsrecht der DLRG - Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V., Jürgen Wagner, stellte dar, dass die DLRG schon vor der Pandemie damit begonnen habe, hybride und rein virtuelle Versammlungen in die Satzungen der Gliederungsebenen zu schreiben und einheitlich in der DLRG umzusetzen. Wagner unterstützte grundsätzlich den Koalitionsvorschlag, aber sprach sich ebenfalls dafür aus, dass auch rein virtuelle Versammlungen möglich sein sollten. Um klarzustellen, dass diese Möglichkeiten auch für Vorstandssitzungen gelten, schlug er eine Präzisierung im Gesetzestext vor.
Dieser Forderung hielt die Rechtswissenschaftlerin Professorin Birgit Weitemeyer von der Bucerius Law School in Hamburg entgegen, dass dieser Umstand schon über entsprechende Verweise im BGB und zusätzlich in der Gesetzesbegründung stehe. Sie forderte wie DSOB-Vertreter Pusch, die Wahl des Versammlungsformates in das „pflichtgemäße Ermessen“ des Vorstands zu stellen und auch die rein virtuelle Versammlung zu ermöglichen. Damit würden auch Mitgliederrechte nicht in relevanter Weise eingeschränkt. „Denn die digitale oder hybride Teilnahmemöglichkeit birgt gleichermaßen Vor- wie Nachteile, die der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Umständen des jeweiligen Vereins abzuwägen hat“, führte die Rechtswissenschaftlerin in ihrer Stellungnahme aus.
Die Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, Katarina Peranić, ließ sich allgemeiner zum Thema Digitalisierung und Ehrenamt ein und berichtete von Herausforderungen in der Praxis. Sie schlug über die Möglichkeiten digitaler Versammlungen hinaus vor, auch gesetzlich klarzustellen, dass Einladungen zu diesen Versammlungen auch per E-Mail erfolgen dürfen und nicht nur in klassischer Schriftform.
Übersicht über die verschiedenen Regelungsvorstellungen von Union/Bundesrat und Koalition: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-924136