02.12.2022 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 719/2022

BMZ wollte Entwicklungsarbeit in Afghanistan fortführen

Berlin: (hib/CRS) In der 16. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses zur letzten Phase des Afghanistan-Einsatzes hat sich das Gremium auf die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Afghanistan und Deutschland konzentriert. Dazu wurde ein damaliger Referatsleiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) befragt. Er habe ab 2020 die Entwicklungszusammenarbeit in der Botschaft in Kabul koordiniert, gab er an. Vor dieser Zeit sei er zeitweise auch für das Ortskräfteverfahren verantwortlich gewesen.

Deutschland habe mit zirka 250 Millionen Euro jährlich verschiedene Projekte in Afghanistan unterstützt. Davon sei ein Teil in den Fonds der internationalen Gebergruppe geflossen. Außerdem habe es gemeinsame Projekte des BMZ mit dem Auswärtigen Amt gegeben. Für die Umsetzung der Projekte im Land seien die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verantwortlich gewesen.

Die Entwicklungszusammenarbeit sei schon vor 2021, aber auch danach, allmählich erschwert gewesen, aber dennoch weitergeführt worden, berichtete der Zeuge. Ziel sei es gewesen, die zivile Sicherheit zu stärken und stabile staatliche Strukturen zu schaffen, sodass die Entwicklungsarbeit sich selbst tragen kann. Anfang 2020 seien in Afghanistan auch große Fortschritte, vor allem in den Bereichen Gesundheit, Kindersterblichkeit und Wasserversorgung, zu sehen gewesen. Eine junge Generation sei herangewachsen, die das Internet habe nutzen können. Man habe gehofft, dass diese Menschen eine Machtübernahme der Taliban verhindern könnten. Doch sei es nicht gelungen, diese Entwicklung auch landesweit in Gang zu setzen.

Nach dem Doha-Abkommen, mit dem der Abzug der internationalen Truppen besiegelt wurde, hätten die Mitarbeiter im BMZ verschiedene Szenarien entworfen, führte der Zeuge aus. So habe man die Projekte der Situation angepasst, damit diese auch nach einem militärischen Abzug aus dem Land weitergeführt werden können. Aber die Geschwindigkeit, mit der die Taliban die Macht übernahmen, sei „ein Schock gewesen.“

Mit ihnen sei es zu keinen direkten Gesprächen gekommen. Ein inoffizieller Versuch, von den Taliban zu erfahren, was sie von der Entwicklungszusammenarbeit halten, habe gezeigt, dass diese „keine Ahnung von der Leitung von Entwicklungsprojekten hatten“ und ihre Bedingungen ohnehin teilweise nicht akzeptabel gewesen seien.

Die Ausschussmitglieder wiesen auf Diskrepanzen zwischen internen Lagebewertungen und den Informationen, die damals dem Bundestag vorgelegt wurden, hin. Daraufhin erklärte der frühere Referatsleiter beim BMZ, das Ministerium sei einerseits für eine Verlängerung des Bundeswehrmandats gewesen. Andererseits habe man nicht den Eindruck erwecken wollen, Deutschland ziehe sich aus Afghanistan zurück. Man habe nicht gewollt, dass nach dem Abschluss des Doha-Abkommens ein „Teufelskreis der Eskalation“ entsteht.

Zur Situation der Ortskräfte befragt, antwortete der Zeuge, dass sich die Zahl der Gefahrenanzeigen seitens der Ortskräfte nach dem Doha-Abkommen erhöht habe. GIZ und KfW hätten rund 1.500 Mitarbeiter gehabt. Detaillierte Angaben zu den Aufnahmekriterien der Ortskräfte wollte der Zeuge nicht machen, da diese einer „gewissen Geheimhaltung“ unterlägen.

Grundsätzlich habe sich „die Gefahr für Leib und Leben“ mit der Exponiertheit der Person erhöht, aber es würden in jedem Fall immer Einzelfallentscheidungen getroffen. Viele lokale Mitarbeiter seien mit ihrer Arbeit bei den deutschen Entwicklungsorganisationen und deren Partnern zufrieden gewesen und hätten zur Entwicklung ihres Landes beitragen wollen. Das BMZ sei auch deshalb gegen eine Ausweitung des Berechtigtenkreises beim Ortskräfteverfahren gewesen, weil die praktische Umsetzung zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde. Dem Zeugen zufolge vergingen es nach einer Zusage bis zu 18 Monate, bis Betroffene ein Visum bekämen und ausreisen könnten.

Mit Blick auf die chaotischen Szenen im Kabuler Flughafen im August 2021 sagte der Zeuge, er glaube, die Gründe dafür seien praktischen Herausforderungen gewesen. Er habe zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr in diesem Bereich gearbeitet.

Im weiteren Verlauf der Sitzung befragte der Untersuchungsausschuss einen weiteren Zeugen, diesmal einen Referenten aus dem Bundeskanzleramt.

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