Maßnahmen zur Rohstoffsicherung erörtert
Berlin: (hib/PST) Wie Deutschland sicher mit Rohstoffen versorgt werden kann, das war Thema einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses am Mittwoch, 30. November 2022. Konkret nahmen die Sachverständigen Stellung zu Anträgen der CDU/CSU-Fraktion (20/4042) und der AfD-Fraktion (20/4065). Beide unter dem Eindruck der aktuellen Energiekrise eingebrachten Anträge fordern Maßnahmen, um der Abhängigkeit von Lieferanten insbesondere metallischer und mineralischer Rohstoffe entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen reichen von Rohstoffpartnerschaften mit Lieferländern und verstärkter heimischer Rohstoffgewinnung im Unions-Antrag bis zum Verzicht auf politische Forderungen gegenüber Lieferländern im AfD-Antrag.
Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie wies darauf hin, dass Deutschland bei verschiedenen mineralischen Rohstoffen wesentlich abhängiger von China sei, als es jemals im Bereich der Energie von Russland war. Daraus ergebe sich ein „großes Erpressungspotential“. Zur Abhilfe forderte er eine „Drei-Säulen-Strategie“ aus der Erschließung neuer Lieferländer, mehr Rohstoff-Recycling und: mehr heimischer Förderung. Im Widerspruch zu einem seit Jahrzehnten zu hörenden Satz stellte Wachter fest: „Deutschland ist kein rohstoffarmes Land“. Allerdings müsse die Politik den heimischen Bergbau fördern und wieder „gesellschaftsfähig machen“.
Dass sich Deutschland bereits heute bei vielen mineralischen Rohstoffen selbst versorgen könne, darauf wies der Unternehmer Christian Strunk hin. Er ist Präsident des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe, welcher nach eigenen Angaben die Betreiber von rund 2.700 heimischen Kiesgruben und Steinbrüchen mit etwa 23.000 Mitarbeitern vertritt. Vor zehn Jahren seien es allerdings noch fast 500 Betriebe mehr gewesen, erklärte Strunk. Viele hätten wegen fehlender Genehmigungen für die Erschließung neuer Flächen aufgegeben. Um diesen Trend zu stoppen, forderte Strunk straffere Genehmigungsverfahren.
Matthias Frederichs, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Baustoffe - Steine und Erden, pflichtete dem bei. Selbst bei „leichtesten Anschlussgenehmigungen“ dauerten die Verfahren in Deutschland zwischen zwei und fünf Jahren, in anderen Fällen bis zu zehn Jahren und mehr. Im Gegensatz zu anderen Industrien, die nur ein Mal eine Genehmigung benötigten, müssten Tagebaubetriebe immer wieder neue Flächen erschließen. Eines der Probleme sei, dass sich oft während des Genehmigungsverfahrens die Vorschriften änderten und dann neue Gutachten erforderlich seien. Frederichs forderte daher eine Gesetzesänderung, wonach die Rechtslage zum Stichtag der Antragstellung maßgeblich sein soll.
Ralph Watzel, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, bestätigte das Potential deutscher und europäischer Lagerstätten. Viele seien bekannt, zudem seien die EU-Länder und ihre Nachbarn noch längst „nicht aus-exploriert“. Gleichwohl stellte Watzel fest: „Wir kommen aus der Internationalität nicht heraus, selbst wenn wir es wollten.“ Denn viele Rohstoffe gebe es nicht oder nicht ausreichend in Europa. Diese Abhängigkeit werde auch in einer künftigen „dekarbonisierten Welt“ bleiben und „schlimmstenfalls noch zunehmen“.
Meike Schulze von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht die Versorgungssicherheit insbesondere aufgrund der unklaren innen- und außenpolitischen Entwicklung Chinas gefährdet. Erstrebenswert seien daher neue Rohstoffkooperationen mit anderen Lieferländern. Die Bundesregierung solle hier insbesondere auf „Länder mit Demokratie und menschenrechtlicher Orientierung“ zugehen. Für Länder im globalen Süden könne ein Anreiz für eine Verbesserung der Menschenrechtslage darin bestehen, dass man sie im Gegenzug in der Stärkung lokaler Wertschöpfung unterstützt, also der Weiterverarbeitung der gewonnenen Rohstoffe.
In diesem Zusammenhang warnte Hannah Pilgrim von der Organisation PowerShift, Koordinatorin des von deutschen zivilgesellschaftlichen Organisationen getragenen Arbeitskreises Rohstoffe, vor einer Gefahr. Rohstoffabkommen dürften nicht dazu führen, dass die Weiterverarbeitung der Rohstoffe in den Förderländern behindert wird, weil sie exportiert werden müssen. Im übrigen kritisierte Pilgrim den „viel zu hohen Verbrauch an Primär-Rohstoffen“ in Deutschland und forderte verbindliche Quoten für den Einsatz von Sekundär-Rohstoffen, die durch Recycling gewonnen werden.
Der Kieler Wirtschaftswissenschaftler Alexander Sandkamp forderte, die Diversifizierung der Lieferketten mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu unterstützen. Er plädierte für mehr Freihandelsabkommen und Investitionsschutzabkommen, zudem sollten den Förderländern Exportkreditversicherungen und Investitionsgarantien geboten werden. Kritisch bewertete Sandkamp deutsche und europäische Bestrebungen, über ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Unternehmen zu verpflichten, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz bei ihren Lieferanten und deren Vorlieferanten zu gewährleisten. Ein solches Gesetz konterkariere die angestrebte Diversifizierung durch den damit verbundenen Mehraufwand für Unternehmen. Sandkamp schlug stattdessen eine europäische Negativliste von Unternehmen vor, die Menschenrechte und Umweltstandards missachten. An dieser Liste könnten sich die europäischen Hersteller dann bei der Auswahl ihrer Lieferanten orientieren.