30.11.2022 Auswärtiges — Antrag — hib 699/2022

Gedenken an die Opfer des Holodomors

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für das Gedenken an die Opfer des Holodomors in der Ukraine vor neunzig Jahren ein. „Dieser gezielten und massenhaften Tötung von Menschen durch Hunger fielen Millionen Menschen in der Ukraine zum Opfer“, heißt es in einem gemeinsamen Antrag (20/4681), über den der Bundestag am heutigen Mittwochabend abstimmen wird. Der massenhafte Hungertod sei keine Folge von Missernten, sondern von der politischen Führung der Sowjetunion unter Josef Stalin verantwortet worden. Der Holodomor stelle ein „Menschheitsverbrechen“ dar, aus heutiger Perspektive liege „eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe“, schreiben die Abgeordneten.

Bereits im Winter 1931/1932 seien Hunderttausende auf dem Land und in den Dörfern an Unterernährung gestorben. Trotzdem seien gewaltsame Zwangsrequirierungen von Ernten fortgesetzt worden. „Hunger wurde zusätzlich als Strafe eingesetzt und bei Nichterfüllung der festgesetzten Abgabemengen ein Vielfaches an Getreide und anderen Lebensmitteln verlangt und konfisziert. Die betroffenen Regionen wurden abgeriegelt, um die Flucht der Hungernden in die Städte und den Transport von Lebensmitteln in die Regionen zu verhindern.“ Allein im Winter 1932/1933 seien dadurch in der Ukraine 3 bis 3,5 Millionen Menschen verhungert, schreiben die Abgeordneten. Sie erinnern daran, dass auch in weiteren Gebieten der Sowjetunion Millionen Menschen durch politisch herbeigeführte Hungerkatastrophen ums Leben kamen, darunter in Kasachstan und entlang der russischen Flüsse Wolga und Don.

Im Geschehen der 1930er Jahre zeige sich das Streben der sowjetischen Führung nach Kontrolle und Unterdrückung der Bäuerinnen und Bauern, der Peripherien des sowjetischen Herrschaftsprojektes sowie der ukrainischen Lebensweise, Sprache und Kultur. „Betroffen von Hunger und Repressionen war die gesamte Ukraine, nicht nur deren getreideproduzierende Regionen.“

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem auf, die Erinnerung an die Opfer des Holodomors und dessen internationaler Bekanntmachung politisch weiter zu unterstützen und „jeglichen Versuchen, einseitige russische historische Narrative zu lancieren, weiterhin entschieden entgegenzuwirken“. Als „Opfer des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands und der imperialistischen Politik Wladimir Putins“ solle die Ukraine zudem weiterhin politisch, finanziell, humanitär und militärisch unterstützt werden.

Der Holodomor falle in eine Periode massivster, in ihrer Grausamkeit bis dahin unvorstellbarer Menschheitsverbrechen auf dem europäischen Kontinent, heißt es im Antrag. „Zu diesen gehören der Holocaust an den europäischen Jüdinnen und Juden in seiner historischen Singularität, die Kriegsverbrechen der Wehrmacht und die planmäßige Ermordung von Millionen unschuldiger Zivilistinnen und Zivilisten im Rahmen des rassistischen deutschen Vernichtungskriegs im Osten, für die Deutschland die historische Verantwortung trägt. Orte wie Wola, Babyn Jar oder Leningrad stehen für diese unzähligen Verbrechen.“ Der Deutsche Bundestag leite aus Deutschlands eigener Vergangenheit eine besondere Verantwortung ab, innerhalb der internationalen Gemeinschaft Menschheitsverbrechen kenntlich zu machen und aufzuarbeiten.

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