Global Public Investment: Neuer Ansatz zur Krisenbekämpfung
Berlin: (hib/HAU) Um internationale Aufgaben wie die Pandemiebekämpfung und die Bekämpfung der Klimakrise bewältigen zu können, braucht es einen neuen Finanzierungsansatz. Das betonte Christoph Benn, Director Global Health Diplomacy am Joep Lange Institute Amsterdam, am Mittwochabend während der öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung zum Thema „Internationale Verantwortung und Zusammenarbeit“. Die internationalen Mittel zur gleichzeitigen Bewältigung multipler Krisen und der Unterstützung nachhaltiger Entwicklung reichten schlichtweg nicht aus, sagte er.
Aktuell unterstützten einige wenige Geberländer fast alle internationalen Organisationen, Krisen und Anliegen der Entwicklungsfinanzierung - unter ihnen Deutschland. „So wird es aber nicht gehen“, sagte Benn. Daher existiere seit ein paar Jahren der innovative Ansatz des Global Public Investment. Die Idee dahinter: Nicht nur einige reiche Länder sollten die internationalen Aufgaben finanzieren, sondern alle Länder aus allen Einkommensgruppen ihren Möglichkeiten entsprechend. „Alle Länder profitieren aber auch davon, dass diese globalen Aufgaben wahrgenommen werden und sind an der Entscheidungsfindung beteiligt“, so der Experte. Gerade Letzteres sei ein Anreiz für Länder, die noch nicht an der Finanzierung beteiligt sind, dies künftig zu tun, sagte Benn, der eine mehr als 30-jährige Erfahrung in der globalen Gesundheitsversorgung hat.
Auf die Frage, wie es konkret gelingen kann, Staaten dazu zu bringen, mehr Gelder zu geben, verwies der Experte auf das Beispiel Indonesien. Das Land habe in den neuen Pandemie-Fonds bei der Weltbank 50 Millionen Dollar investiert - genauso viel wie Deutschland. Zudem habe Indonesien den Co-Vorsitz für die Geberländer übernommen. „Viele Länder sind bereit zu zahlen, wenn die Anreize richtig gesetzt werden“, sagte er. Ein Grund für das Engagement Indonesiens, so Benn weiter, sei der G20-Vorsitz, den das Land derzeit innehabe. „Die nächsten G20-Präsidentschaften haben Indien, dann Brasilien und dann Südafrika“, sagte er. „Wir wollen das Momentum nutzen, wenn diese Länder zeigen möchten: Wir wollen dabei sein.“
Mit Blick auf „Länder hohen Einkommens in Osteuropa“, die kaum an der Finanzierung internationaler Programme mitwirken würden, sah der Experte das Problem unter anderem in den fehlenden Ansprechpartnern. Der Bundestag, so seine Vorstellung, könne hier als Vermittler mit den dortigen Parlamenten fungieren - ebenso wie die Bundesregierung beim Austausch mit den anderen Staatsführungen. Was die Mitbestimmung angeht, so machte Benn deutlich, dass es nicht darum gehe, eine große Weltgesundheitsversammlung zu schaffen, bei der alle Länder einen Sitz und eine Stimme haben. „Wir müssen die Balance zwischen Mitspracherecht und effizienter Entscheidungsfindung schaffen.“ Das funktioniere, sagte Benn. Dafür gebe es beispielsweise das Modell der Stimmrechtsgruppen, in die aber nur Staaten kämen, die Beiträge „entsprechend ihren Möglichkeiten“ geleistet hätten.
Sonja Grigat vom Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (Venro) machte während der Sitzung deutlich, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit weltweit weiter habe wachsen lassen. Der rasch fortschreitende Klimawandel, andauernde Konflikte und der Krieg in der Ukraine würden die Ernährungssituation von Millionen Menschen nochmals verschärfen. Derzeit litten nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen 828 Millionen Menschen an Mangelernährung und akutem Hunger. „Das Ziel, den Hunger bis 2030 zu beenden, ist in sehr weite Ferne gerückt“, sagte Grigat. Gleichzeitig hätten die Pandemie selbst wie auch die Folgen der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung schwere Auswirkungen auf die ohnehin schon fragilen Gesundheitssysteme und die bislang erzielten Erfolge zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 3 (Gesundheit und Wohlergehen) gehabt.
Die Venro-Vertreterin forderte vor den Abgeordneten, das Prinzip „niemanden zurücklassen“ durch geeignete Maßnahmen umzusetzen - unter anderem durch die Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Deren Überarbeitung müsse deshalb die internationalen Effekte, insbesondere auf die am meisten von Armut betroffenen Länder in den Blick nehmen und dafür sorgen, dass auch über die Strategie eine kohärentere deutsche Politik erreicht werde. Zugleich müsse eine feministische Entwicklungspolitik „konsequent und kohärent umgesetzt werden“.
Mit Blick auf die drei zukunftsrelevanten Nachhaltigkeitspolitikfelder - Ernährung, Gesundheit und Klima - schlage Venro daher vor, die globalen Ernährungssysteme resilienter, gerechter und nachhaltiger zu machen, sagte Grigat. Die Ernährungssouveränität müsse dabei gestärkt werden und das Menschenrecht auf Nahrung verwirklicht. Außerdem sei ein Anstieg der deutschen Haushaltsmittel für die internationale Klimafinanzierung auf mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr bis 2025 durch neue und zusätzliche Mittel notwendig.
Für die Pandemieprävention sei die Umsetzung eines One Health-Ansatzes besonders relevant, befand die Venro-Vertreterin. Er diene darüber hinaus auch der Gesundheitssystemstärkung und der Verbesserung der sozialen und ökonomischen Gesundheitsbedingungen der Menschen vor Ort. Mit Blick auf das zivilgesellschaftliche Engagement müsse sich Deutschland in internationalen Foren, wie dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, dafür einsetzen, „dass das Recht auf finanzielle Ressourcen, einschließlich einer Finanzierung aus dem Ausland, als integraler Bestandteil des Rechts auf Vereinigungsfreiheit ausdrücklich anerkannt und gestärkt wird“, verlangte Grigat.