Debatte um Neufassung des Bundeswaldgesetzes gestartet
Berlin: (hib/NKI) In dieser Woche ist der Dialog zur Zukunft der Wälder in Deutschland des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gestartet. Der Prozess bereitet eine neue Waldstrategie der Bundesregierung vor, die bis Sommer 2024 entstehen und in einer Neufassung des Bundeswaldgesetzes enden soll. In einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft stellte am Montagnachmittag der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) beim BMEL das Gutachten „Die Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel“ vor. Die Experten sind sich zwar einig, dass es einen Waldumbau geben muss und dazu auch mehr Geld zur Verfügung gestellt werden sollte, die Mittel, mit der die Transformation gelingen soll, sind jedoch sehr uneinheitlich.
Nach Angabe des BMEL sind seit 2018 rund 400.000 Hektar Schadflächen entstanden - insgesamt gibt es in Deutschland rund elf Millionen Hektar Wald. Minister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) hatte im Mai nach einer Konferenz mit seinen Länderkollegen gesagt, im Waldgesetz sollten Bestimmungen modernisiert werden, die teils mehr als 40 Jahre alt sind. Es solle ein deutschlandweiter Standard für Waldbewirtschaftung geschaffen werden. Daneben sollen zusätzliche Leistungen an Waldbesitzer für den Klimaschutz und die Biodiversität kommen.
Die Koalition hat im Koalitionsvertrag zwar vereinbart: „Durch einen gezielten Waldumbau müssen artenreiche und klimaresiliente Wälder mit überwiegend standortheimischen Baumarten geschaffen werden. Die Waldbewirtschaftung spielt dabei eine wichtige Rolle.“ Jedoch ist fraglich, ob dieses Ziel aufgrund der Klimaereignisse eingehalten werden kann.
Das Gutachten in seinen Grundzügen und wichtigsten Aussagen stellte Jürgen Bauhus, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik (WBW) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), vor. Dabei skizierte er die derzeit bekannten Auswirkungen der Klimaänderungen auf Wälder und ihre Ökosystemleistungen und zeigte die Anpassungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Bereichen der Bewirtschaftung und Nutzung der Wälder auf. Diese Bereiche umfassen die Waldwirtschaft, Holzverarbeitung, Bioökonomie, Naturschutz, Bodenschutz, Gewässerschutz, Gesundheitsvorsorge, Erholung und Tourismus. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen münden in konkrete Handlungsempfehlungen für die Anpassung der insgesamt 13 aufgezeigten Handlungsfelder. Als Ziele wurden unter anderem genannt: Resiliente und anpassungsfähige Wälder erhalten und entwickeln , Waldschutz gegenüber biotischen Risiken verbessern, Risikomanagement zum Umgang mit Extremereignissen weiterentwickeln, Biodiversität sichern und erhöhen, Wälder als Orte für Erholung, Sport und Tourismus entwickeln und Forschungskapazitäten stärken, besser vernetzen und neu ausrichten.
Vor allem der erste Punkt bedeutet, dass sich Deutschland an neue Nadelbaumarten gewöhnen müsse, die mit weniger Wasser zurechtkommen. „Wir werden weniger Nadelholz haben. Kiefern und Fichten werden aus dem Standort verschwinden“, prognostizierte Bauhus.
Aber auch bei anderen Bäumen werde sich vermehrt die Frage stellen, welche Art noch angepflanzt werden könnten. So könnten Buchensorten beispielsweise aus Südosteuropa oder Asien eingeführt werden, wo sie trotz trockener Bedingungen wachsen. Das werde mit weniger Ertrag verbunden sein. Deshalb spricht sich das Gutachten für eine stärkere Honorierung von Ökosystemleistungen aus. Dafür sollen Bund und Länder Gelder zur Verfügung stellen.
Neben der finanziellen Forderung und steuerlichen Erleichterungen verfügen Bund und Länder auch über das Instrument des Kaufs bestimmter Leistungen. Das sei fester Bestandteil des öffentlichen Beschaffungswesens. Ebenso wie beispielsweise Beraterleistungen als Vorleistungen für Regierungsarbeit eingekauft würden, konnten so auch Ökosystemleistungen durch den Staat erworben werden. Ökosystemleistungen könnten dabei ebenso Vorleistungen sein, wie beispielsweise die Reinigung des Wassers unter Wald für die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, wie auch Güter für die Endverwendung, wie die Bereitstellung von Erholungsraum. Im Gegensatz zur herkömmlichen öffentlichen Beschaffung habe sich dieses Instrument der Bezahlung von Leistungen für die Allgemeinheit im Bereich der Ökosystemleistungen aber noch nicht durchgesetzt, das solle sich ändern.
Dieser Ansicht ist auch Max Freiherr von Elverfeldt, Vorsitzender Familienbetriebe Land und Forst auf Bundes- und EU-Ebene. Das Wirtschaftsmodell Wald müsse durch die steigenden Kosten „neu gedacht und neu gestaltet werden“. Holzverkauf dürfe und könne nicht mehr die einzige Einkommensquelle der Forstwirte sein. Er forderte die Bundesregierung dazu auf, das nun vorliegende Gutachten als Grundlage für den notwendigen Waldumbau zu nutzen.
Christian Ammer, Lehrstuhl für Waldbau und Waldökologie an der Georg-August-Universität Göttingen, unterstrich die hohe Relevanz einer Baumartenmischung, das Gutachten mache deutlich, welche Wege eingeschlagen werden müssten, um den Klimaextremen zu begegnen und um eine höhere Biodiversitätsquote in den Wäldern zu bekommen. Der wichtigste Punkt sei jedoch der „aktive Waldumbau“, es könne nicht gewartet werden, bis „die Natur die nötigen Anpassungen regelt“, sondern aufgrund des Klimawandels brauche es den notwendigen Umbau, „ohne weitere Zeit zu verlieren“.
Für einen solchen Umbau seien jedoch Fachleute notwendig. „Aber das Personal ist nicht da“, sagte Ulrich Dohle, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute (BDF), und verwies auf die Notwendigkeit, „die Ausbildung von Forstpersonal zu forcieren“. Seit 1990 seien rund 60 Prozent der Beschäftigten abgebaut worden oder in Rente gegangen. Hätten im Jahr 2012 noch rund 100.000 Beschäftigte in der Fortwirtschaft gearbeitet, seien es 2020 noch 75.000 gewesen. Dabei stehe die Branche vor großen Aufgaben, insgesamt müssten 400.000 Hektar Wald wieder aufgebaut werden, und drei Millionen Hektar stünden vor dem Umbau.
Hans von der Goltz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW), ist anderer Ansicht. Anstatt den Wald aktiv umzubauen, rät er dazu, „dass der Wald sich natürlich verjüngt“. Er plädiert für das Dauerwald-Modell: Dieses Konzept sei das geeignete Wirtschaftsmodell, den Auswirkungen des Klimawandels durch Vielfalt der Baumspezies, genetische Vielfalt, Naturverjüngung, Strukturreichtum und Waldbinnenklima zu begegnen. Besondere Bedeutung unter dem Gesichtspunkt zunehmender Kalamitätsanfälligkeit beispielsweise durch Insektenkalamitäten, zunehmende Windgeschwindigkeiten oder Nassschnee als Folge eines höheren Energiegehaltes der Atmosphäre komme der Resilienz von Dauerwäldern zu. Das vielschichtige Waldgefüge bleibe auch bei Zerstörungen in wesentlichen Teilen erhalten und der Wald wachse bereits im Jahr nach der Katastrophe mit erhöhtem Zuwachs weiter. Das hätten die Schäden der Jahre 2019 bis 2021 gezeigt. Dauerwald sei nicht durch Stilllegungen zu erreichen.
Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, widersprach seinem Vorredner. „Wir müssen auf wissenschaftlicher Basis handeln“, sagte er. Um das zu erreichen, müssten forstwirtschaftliche Forschungseinrichtungen besser als bisher ausgestattet werden. Die Forstwirte benötigten „neue Ideen und neue Erkenntnisse, und dazu brauchen wir junge Leute“, sagte Schirmbeck. Die Bundesregierung solle das Gutachten umsetzen und vor allem die Besetzung von Lehrstühlen beschleunigen, dazu sollten „Haushaltsmittel rasch zur Verfügung gestellt werden“.