Mangel an Lkw-Fahrern existenzbedrohend für Transportbranche
Berlin: (hib/HAU) Der Mangel an Berufskraftfahrern hat für die Transport- und Logistikbranche existenzbedrohende Formen angenommen und ist nicht allein auf eine zu geringe Entlohnung zurückzuführen. Das wurde während einer öffentlichen Expertenanhörung des Verkehrsausschusses am Mittwochnachmittag deutlich. Die geladenen Sachverständigen forderten bessere Arbeitsbedingungen und mehr gesellschaftliche Wertschätzung für den Beruf. Aus Sicht der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und von Fahrervertretern macht aber vor allem das niedrige Gehalt den Beruf unattraktiv.
Ein wichtiger Grund für den Mangel an Berufskraftfahrern sei der „Mangel an Gehalt“, sagte Verdi-Vertreter Ronny Keller. Vergütung sei zwar nicht ausschließlich, aber in hohem Maße für die Attraktivität des Berufsbildes sowie für die Gewinnung von Nachwuchskräften von Bedeutung. „Die Branche muss ein besseres Angebot machen oder immer weiter nach Osten schauen“, sagte Keller. Allerdings, so der Gewerkschaftsvertreter, gebe es das Fachkräfteproblem inzwischen auch schon in Polen. Fachkräftezuwanderung sei nicht der richtige Weg. Besser sei es, die Arbeitsbedingungen national zu verbessern. Hier seien vor allem die Arbeitgeber in der Verantwortung.
Auch aus Sicht von Frank Huster, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Spedition und Logistik, spielt Entlohnung eine wichtige Rolle. Vor dem Hintergrund des extremen Mangels hätten sich aber die Löhne oberhalb der Tariflöhne entwickelt. Unternehmen in Baden-Württemberg zahlten bereits 4.000 Euro brutto monatlich. In der Region Berlin-Brandenburg liege der Wert angesichts einer anderen Wettbewerbssituation hingegen bei 2.000 Euro, räumte Huster ein. Dennoch sei eine Lohnentwicklung zu verzeichnen. Huster verwies auf die Anforderungen des Berufes, der einen hohes Stressfaktor habe und zu langen Abwesenheiten von zuhause führe. Bei jungen Menschen sei der Beruf zudem „nicht mehr angesagt“. Sie wollten lieber „Influencer werden, aber nicht Berufskraftfahrer“. Hoffnung setze die Branche auf Fachkräftezuwanderung. Hierbei werde aber eine deutliche Entbürokratisierung benötigt.
Um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern, forderte Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, den Führerscheinerwerb und die Berufskraftfahrerqualifikation auch für Personen mit EU-ausländischem Wohnsitz in Deutschland zu ermöglichen. Außerdem brauche es eine Anerkennung von Berufskraftfahrerqualifikationen aus Drittstaaten bei vergleichbarem Qualifikationsniveau. Engelhardt kritisierte aber auch die Bundesregierung, der die Bereitschaft fehle, „konkrete Maßnahmen für den Mittelstand auf den Weg zu bringen“. In keinem der Maßnahmenpakete der letzten Monate sei konkret etwas für den Mittelstand vorhanden gewesen, dabei brauche es dringend den Bürokratieabbau und digitale Formate in der Aus- und Weiterbildung sowie beim Führerscheinerwerb, sagte er.
Der Geschäftsführer des Logistikunternehmens Peine GmbH, Christoph Peine, machte ebenfalls deutlich, dass es „Zuwanderung aus dem Osten“ brauche. Dem stünden aber große bürokratische Hemmnisse entgegen. Seit drei Jahren habe er Kontakt mit fünf philippinischen Fahrern. „Ich bekommen die aber nicht auf den Lkw, weil die bürokratischen Hürden so hoch sind“, sagte er. Folge davon sei, dass die Branche die eigenen Lkw nicht mehr bewegen könne und darüber nachdenke, sie abzuschaffen, „was uns zu einem Problem wie in Großbritannien führen kann“. Das Gehalt, so Peine, sei nicht das Problem. Das regle der Markt. Er gehe davon aus, dass künftig jeder Fahrer auf 4.000 Euro monatlich komme. Das helfe aber nicht, wenn sich nicht auch die Arbeitsbedingungen verbessern, es nicht einmal Toiletten oder ausreichend Parkplätze gibt und die Fahrer an der Rampe auch noch selbst ent- und beladen müssen.
Für den Berufskraftfahrer Burkhard Taggert, Vorsitzender des Kraftfahrerkreises Aschaffenburg-Miltenberg, ist das niedrige Gehalt das Problem. „Die Zahlen, von denen Sie sprechen, habe ich noch nie gehört“, sagte er an seine Vorredner gewandt. Realistischer seien in seiner Region Gehälter von 2.200 bis 2.400 Euro - in Mecklenburg-Vorpommern würden gar weniger als 2.000 Euro gezahlt. Aufgrund der niedrigen Gehälter müssten die Fahrer „Stunden kloppen, damit überhaupt was reinkommt“. Viele Arbeitgeber würden zudem Bestandteile des Lohns als Zulagen zahlen, was sich negative auf die Rentenansprüche der Fahrer auswirke, sagte Taggert, der auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen anmahnte. Dafür müsse unter anderem die Fahrerkabine in die Arbeitsstättenverordnung aufgenommen werden, um etwa eine Standklimaanlage verpflichtend in alle LKW einzubauen.
Sein Kollege Udo Skoppek vom Verein „Allianz im deutschen Transportwesen“ betonte: „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, ich davon meine Familie ernähren kann und meine Kinder aufwachsen sehen kann, ohne mich vorher am Stauende totgefahren zu haben, ist Lkw-Fahrer ein toller Job.“ Skoppek forderte besser geschulte und ausgestattete Kontrollbehörden, die dann auch alle vorhandenen Werkzeuge nutzen sollten, um die „schwarzen Schafe“ auf dem Markt aussortieren zu können. „Sind die erst vom Markt, gibt es einen fairer Wettbewerb, und fairer Lohn und soziale Sicherheit sind gegeben“, sagte er. Vielfach würde aber der Datenschutz die Nutzung dieser Werkzeuge verhindern.
Auch bei den privaten und mittelständischen Busbetrieben habe der Fahrermangel ein existenzbedrohliches Ausmaß angenommen, sagte Christiane Leonard, Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen. Bei 85 Prozent der deutschen Busunternehmen bestehe ein Fahrermangel, sagte sie. Hauptursache des enormen Busfahrermangels und der unzureichenden Gewinnung neuen Fahrpersonals sind laut Leonard größtenteils die erschwerten Ausbildungsbedingungen in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Die Führerscheinkosten beliefen sich in Deutschland auf 8.000 bis 10.000 Euro - hinzu komme eine sehr lange Ausbildungsdauer. Es müssten dringend EU-weit vergleichbare Ausbildungsstandards geschaffen werden, damit wieder gleiche Wettbewerbsbedingungen mit dem europäischen Ausland bestehen, forderte sie.