Fachgespräch zur Endlagersuche
Berlin: (hib/SAS) Vor dem Hintergrund der durch den Krieg in der Ukraine neu entflammten Debatte um eine Weiternutzung der Atomkraft haben Vertreter der Gremien zur Endlagersuche ein klares Bekenntnis zum Atomausstieg gefordert. In einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz warnten am Mittwoch sowohl Vertreter des Nationalen Begleitgremiums (NBG), das als unabhängiges, pluralistisch zusammengesetztes gesellschaftliches Gremium die Endlagersuche begleitet, als auch des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), die anhaltende Diskussion um den beschlossenen Ausstieg stelle das Standortauswahlgesetz als Fundament des gesamten Prozesses der Endlagersuche in Frage. Auch Vertreter der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die als Vorhabenträgerin für das operative Geschäft des Verfahrens zuständig ist, bezeichneten den Ausstiegsbeschluss als nötige Grundlage für die weitere Arbeit.
Klaus Brunsmeier, NBG-Vertreter und Mitglied des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mahnte daher eindringlich, an dem Ausstieg festzuhalten. Es dürfe keine längeren Laufzeiten für noch am Netz befindliche Atomkraftwerke geben. Für das Weiterbestehen des Vertrauens in den Prozess der Endlagersuche sei es zentral, dass der mit dem Standortauswahlgesetz gefundene „gesellschaftliche Konsens“ nicht infrage gestellt werde.
Zudem drängte er angesichts der kriegsbedingt gestiegenen Gefahren für Atomanlagen auf eine „schnellstmögliche tiefengeologische Lagerung“ radioaktiver Abfälle. Die Lagerung in einem verschlossenen Bergwerk stelle die im Vergleich zu anderen Lageroptionen sicherste Lösung dar. Auch regte er im Gespräch mit dem Abgeordneten an, schon jetzt auch ein partizipatives Verfahren zur Zwischenlagerung zu beginnen. „Die Menschen wollen zu Recht wissen, wie es weitergehen soll.“ Die Genehmigungen liefen Mitte des kommenden Jahrzehnts aus, und es sei schon jetzt absehbar, dass dann noch kein Endlager zur Verfügung stehen werde. Bis 2031 soll allerdings, so schreibt es das Standortauswahlgesetz von 2017 vor, ein geeigneter Standort für ein Endlager gefunden werden.
Markus Dröge, ebenfalls NBG-Vertreter und ehemaliger Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, betonte zudem die Notwendigkeit einer langfristigen Strategie zur Beteiligung junger Menschen am Standortauswahlverfahren. Er äußerte auch die Sorge, dass das Verfahren, das die Zusammenarbeit von Behörden und ehrenamtlichen Bürgern vorsehe, vor allem bei letzteren zu „Zermürbungserscheinungen“ führe. Bürger erlebten die „hierarchische und absicherungsorientierte Arbeitsweise von Behörden“ oft als zu kompliziert und intransparent. „Sie fühlen sich schleichend ausgegrenzt und nicht genug wertgeschätzt“, sagte Dröge und bat um Unterstützung für den Vorschlag des NBG, die drei am Verfahren beteiligten Gremien - neben dem NBG auch das BASE und die BGE - zweimal jährlich an einen „Runden Tisch“ zu holen.
Stefan Studt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), bekannte sich zur Öffentlichkeitsbeteiligung als Grundvoraussetzung für das Gelingen des Standortauswahlprozesses . Er verwies in dem Zusammenhang auf die Teilnahme der BGE an 170 Veranstaltungen in Städten und Kommunen, 1.200 beantwortete Bürgeranfragen und 130 eigene Veranstaltungen, darunter Workshops und Planspiele.
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), betonte ebenfalls die „umfassende und lückenlosen Information und Beteiligung der Öffentlichkeit“ als Kern eines Verfahrens, das Vertrauen schaffen und Gerechtigkeit im Standortauswahlprozess herstellen solle. Das BASE, als Aufsichtsbehörde auch verantwortlich für die Öffentlichkeitsbeteiligung, habe daher 2021 die Fachkonferenz Teilgebiete in mehreren Veranstaltungen durchgeführt, im Ende Mai starte nun das Forum Endlagersuche, das als kontinuierliches Beteiligungsformat die weitere Endlagersuche begleiten solle. Insgesamt betrachtet befinde sich der Standortauswahlprozess in einem Zwischenstadium. Zwar lege der Zwischenbericht nun 90 Teilgebiete fest, die im weiteren Verfahren als möglicher Endlagerstandort in Betracht gezogen werden könnten, dennoch sei man noch „weit davon entfernt“, konkrete Standortregionen zu benennen. Doch man stehe bei der Endlagersuche auch vor eine immensen Aufgabe: Ziel sei die sichere Endlagerung der „gefährlichsten Stoffe, die die Menschheit je in die Welt gesetzt hat“.
Im Gespräch erkundigten sich die Abgeordneten unter anderem nach Strategien, junge Menschen an der Endlagersuche gezielt zu beteiligen, außerdem fragten sie nach der Zusammenarbeit zwischen den Gremien und Ansätzen, um das Verfahren zu beschleunigen. Zudem interessierte sie der Zeitplan des weiteren Standortauswahlprozesses.
Die Stellungnahmen der Gremien sowie das Video des Fachgesprächs auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw19-pa-umwelt-endlagersuche-891432