Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ernst nehmen
Berlin: (hib/HAU) Über die Situation von Menschen, die am Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) erkrankt sind, hat der Petitionsausschuss in seiner öffentlichen Sitzung am Montag diskutiert. Der Petent Daniel Loy, dessen Eingabe Grundlage der Beratung war, hatte dabei eine breitenwirksame Aufklärungskampagne über ME/CFS gefordert. Loy sprach von einer vernachlässigten Erkrankung, „die trotz Häufigkeit und Schwere beispielsweise an keiner deutschen Universität Bestandteil des Curriculums und dementsprechend auch ärztlicherseits kaum bekannt ist“. Folge davon sei, dass die in Deutschland geschätzt 250.000 Erkrankten allein gelassen würden und ihre Erkrankung nicht ernst genommen werde. Dabei sei ME/CFS so gravierend, „dass man am schwere Ende des Spektrums nicht nur dauerhaft bettlägerig ist, sondern auf künstliche Ernährung angewiesen ist, zur Kommunikation nicht mehr in der Lage ist und selbst geringste Sinnesreize wie Licht oder Berührungen nicht mehr ertragen werden können“.
Seine Krankengeschichte, so der Petent, habe damit begonnen, dass er sich mit dem Ebstein-Barr Virus infiziert hatte. Erst zwölf Jahre später, nach einer drastischen Verschlechterung seines Gesamtzustandes, sei aber ME/CFS diagnostiziert worden. Der damit verbundene Optimismus, nun therapiert werden zu können, sei in der Folge großem Entsetzen gewichen, sagte Loy. Es habe sich gezeigt, dass es weder Behandlungsansätze noch Versorgungsstrukturen gebe. Stattdessen habe er - wie auch andere Erkrankte - eine Stigmatisierung durch die Medizin und die Gesellschaft gleichermaßen erfahren. Ein deutscher Facharzt habe auf seine ME/CFS Diagnose mit hysterischem Lachen reagiert, sagte er. Dies sei aber keineswegs ein bizarrer Einzelfall.
„Wir brauchen dringend eine Veränderung dieser Situation“, machte der Petent vor den Abgeordneten deutlich. Die Betroffenen müssten endlich ernst genommen werden. Dies gelte jetzt mehr als je zuvor, da aufgrund der Corona-Pandemie viele Neuerkrankungen dazu kämen. Bei Long-Covid, so Loy, handle es sich um nichts anders als um ME/CFS.
Die den Petenten begleitende Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité, Professor Carmen Scheibenbogen, sprach von erheblichem Nachholbedarf bei der Forschung zu ME/CFS. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung angekündigten Fördergelder seien nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Scheibenbogen forderte einen „Runden Tisch“ unter Führung der Politik, damit Versorgungsstrukturen aufgebaut und klinische Studien durchgeführt werden könnten. Eingebunden werden müsse aber auch die Pharmaindustrie mit ihrer Medikamentenforschung.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Sabine Dittmar (SPD), betonte, die Bundesregierung erkenne den Handlungsbedarf an. Sie verwies auf den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, in dem es heißt: „Zur weiteren Erforschung und Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von Covid19 sowie für das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) schaffen wir ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen.“ Schon jetzt, so Dittmar, sei es mit den Mitteln des Krankenhausstrukturfonds möglich, entsprechende Netzwerke zu etablieren und interdisziplinäre Ambulanzen miteinander zu vernetzen.