Gesundheitsexperten befürworten grundlegende Reformen
Berlin: (hib/PK) Experten befürworten grundlegende Reformen im Gesundheitssystem, um eine hochwertige medizinische Versorgung langfristig bezahlbar zu halten. Als sinnvoll angesehen werden dazu auch Veränderungen in der Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung, wie eine Anhörung über einen Antrag (20/11427) der Gruppe Die Linke ergab. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Nach Ansicht des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind Reformen unerlässlich, um die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung zu stärken. Eine Grundbedingung sei die strikte Trennung der Aufgaben- und Finanzverantwortung von Bund und Ländern, erklärte der Verband und nannte als Beispiel die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen. Nachhaltige Strukturreformen seien angesichts knapper Personalressourcen nötig. Die vertragsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen für eine bedarfsgerechte Versorgung sollten ausgeweitet werden.
Durch das duale Krankenversicherungssystem entstehen nach Ansicht des Gesundheitsökonomen Stefan Greß von der Hochschule Fulda große Fehlanreize. Das Nebeneinander von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung (GKV/PKV) führe nicht nur zu Verwerfungen auf der Finanzierungsseite. Vielmehr entstünden durch die unterschiedlichen Vergütungsmechanismen bei ambulant tätigen Haus- und Fachärzten Fehlanreize bei der gesundheitlichen Versorgung.
In der ambulanten Versorgung erhielten Ärzte für Privatversicherte eine doppelt so hohe Vergütung wie in der GKV. Zudem gebe es in der PKV keine Mengenbeschränkung. Das führe zu unterschiedlichen Wartezeiten für Patienten. Die Integration von gesetzlicher und privater Vollversicherung könne durch eine umfassende Versicherungspflicht zur GKV erreicht werden.
Der PKV-Verband widersprach dieser Darstellung und warnte nachdrücklich vor der Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung. In Deutschland gebe es zwei Versicherungssysteme, aber nur eine Versorgungsstruktur. Das Nebeneinander von GKV und PKV garantiere eine sehr gute Versorgung der gesamten Bevölkerung ohne nennenswerte Wartezeiten. Privatversicherte leisteten mit ihrem Mehrumsatz einen überproportionalen Beitrag zum Gesundheitswesen. Dieser Beitrag komme der Versorgung der GKV-Versicherten zugute. Eine Bürgerversicherung würde hingegen zu einer Zwei-Klassen-Medizin führen.
In der Anhörung sprach sich der Einzelsachverständige Franz Knieps vom BKK Dachverband für eine bessere sektorübergreifende Versorgung aus. In den vergangenen Jahren sei in der Hinsicht nicht viel erreicht worden. Knieps forderte, die Sektorentrennung abzuschaffen und eine gemeinsame Bedarfsplanung ambulant und stationär zu etablieren sowie einheitliche Qualitätsstandards zu definieren. Knieps räumte Probleme im deutschen Gesundheitswesen ein, allerdings seien die Probleme geringer als in anderen Ländern, beispielsweise in Großbritannien.
Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) forderte bessere Rahmenbedingungen insbesondere für niedergelassene Ärzte. Um Anreize für die Niederlassung zu schaffen, sei mehr Sicherheit durch verlässliche Rahmenbedingungen nötig.