15.11.2024 2. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 791/2024

Zeuge sah keinen Sinn in Reservebetrieb von Kernkraftwerken

Berlin: (hib/HLE) Es mache keinen Sinn, Kernkraftwerke ständig herauf- und runterzufahren. Dies erklärte Richard Lothar Donderer, seit 2022 Vorsitzender der Reaktor-Sicherheitskommission(RSK), in seiner Vernehmung vor dem 2. Untersuchungsausschuss am Donnerstag. In der vom Vorsitzenden Stefan Heck (CDU) geleiteten Sitzung ging es unter anderem um die Frage, ob die letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland über das vorgesehene Abschaltdatum Ende 2022 weiterbetrieben werden könnten und ob dies im Streckbetrieb oder Reservebetrieb erfolgen könne. Streckbetrieb bedeutet, eine Anlage für einen gewissen Zeitraum weiterzubetreiben, beim Reservebetrieb würde die Anlage nur bei Bedarf wieder in Betrieb genommen.

Es sei in der Reaktor-Sicherheitskommission ziemlich schnell klar gewesen, dass das ständige Herauf- und Runterfahren nicht in Frage komme. „Wenn hochgefahren wird, dann bitte oben bleiben“, stellte Donderer fest. Man könne ein Kernkraftwerk auch nicht schnell hochfahren. „Das geht so nicht“, sagte Donderer. Die Anlagen müssten langsam hochgefahren werden bei Einhaltung aller Sicherheitsprüfungen. Ein Energiebedarf innerhalb von wenigen Stunden könne von Kernkraftwerken nicht befriedigt werden.

Zur Aufgabe der Reaktor-Sicherheitskommission schilderte Donderer, die ehrenamtlich tätige Kommission berate das Umweltministerium in Fragen der Sicherheit von Kernkraftwerken. Meistens bekomme die Kommission Aufträge, in seltenen Fällen werde sie von allein tätig. Die Bitten um Stellungnahmen kämen im Regelfall schriftlich, und es werde ein Datum angegeben, bis wann eine Stellungnahme abzugeben sei. Kontakt mit dem Umweltministerium gebe es vor jeder Kommissionssitzung, um die Tagesordnung abzustimmen.

Die öffentliche Diskussion über eine Verlängerung von Laufzeiten habe nach Beginn des Ukraine-Krieges begonnen. Erste öffentliche Überlegungen hätten Verlängerungen der Laufzeiten mit Hilfe der Restmengen in den Brennstäben betroffen. Es seien verschiedene Optionen diskutiert worden, etwa ein An- und Abfahren nach Bedarf.

Einen Auftrag für eine Stellungnahme habe die Kommission erst später erhalten. Darin sollte es um einen „kontinuierlichen Streckbetrieb“ gehen. Das Thema Laufzeitverlängerung an sich falle nicht in Zuständigkeit der Kommission, tätig werde sie nur in den Fragen der Sicherheit, erläuterte Donderer. Energiepolitische Fragen, Risiken oder Abwägungen gehörten nicht in die RSK. Erst wenn die Entscheidung gefallen sei, die Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen, werde man zuständig. An den verschiedenen Prüfvermerken der Bundesministerien sei die Kommission nicht beteiligt gewesen.

In der Kommission gehe es nicht um energiepolitischen Sachverstand, sagte Donderer: „Dort gehört er nicht hin.“ Die Kommission könne nicht darüber spekulieren, welche energiepolitischen Rahmenbedingungen es gebe und welche nicht. Es gehe nur um Reaktorsicherheit - „und selbst das ist manchmal nicht einfach.“

Donderer wurde von Abgeordneten mit einem Zitat aus einem Interview von Uwe Stoll, dem ehemaligen wissenschaftlich-technischen Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und wie Donderer Mitglied der Reaktor-Sicherheitskommission, konfrontiert. Stoll hatte erklärt, dass die RSK von der Bundesregierung nicht eingebunden gewesen sei. Das Interview habe er wahrgenommen, sagte Donderer: „Das ist seine Meinung.“ Es sei keine neue Erfahrung, dass die RSK nicht eingebunden werde. Auch komme es vor, dass RSK-Entscheidungen nicht Basis späterer Entscheidungen würden: „Damit muss man leben.“ Und es müsse auch nicht alles, was entschieden werde, über die RSK laufen.

Kritisch setzt sich Donderer mit einem Vermerk aus dem Umweltministerium auseinander, in dem von erheblichen Investitionen der Kraftwerksbetreiber bei einer Verlängerung der Laufzeiten über einen längeren Zeitraum und nicht nur um einige Monate die Rede gewesen sei. Solch eine Aussage sei ihm etwas voreilig erschienen. Ausschließen könne man Nachrüstungsbedarf natürlich nicht. Auch die Angabe, es sei die Beschaffung von vielen Brennelementen notwendig, ging ihm zu weit. Das Wort „viele“ hätte er gestrichen. Seine Auffassung sei gewesen, nicht voreilig sicherheitstechnische Festlegungen zu treffen, die die Kommission später möglicherweise nicht bestätigen könne. Spontane Einschätzungen „sind nicht unsere Arbeitsgrundlage“. Zum Verhältnis zum Umweltministerium sagte Donderer: „Wir fühlten uns nicht an die Leine gelegt.“