UNICEF und WFP sehen humanitäres System vor Zerreißprobe
Berlin: (hib/SAS) Angesichts der erneuten Eskalation im Nahostkonflikt haben Vertreter des Welternährungsprogramms (WFP) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) vor wachsender Not und wachsendem Hunger in der Region gewarnt. Krisen verschärften sich weltweit, immer neue kämen dazu, sagte die UNICEF-Exekutivdirektorin Cathrine Russell am Mittwoch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Der Bedarf an humanitärer Hilfe wachse. Die Budgets von WFP und UNICEF reichten aber schon jetzt nicht aus, um damit Schritt zu halten. Das humanitäre System stehe vor einer Zerreißprobe, erklärte Carl Skau, stellvertretender WFP-Exekutivdirektor. Die VN-Vertreter warnten gleichzeitig eindringlich vor den Folgen der geplanten Kürzungen bei der humanitären Hilfe im Etat des Außenministeriums. Deutschland könne sich einen Rückzug aus seiner Rolle als zweitgrößter Geber nicht leisten: Würden die Probleme nicht angegangen, würden sie nur noch größer - mit Auswirkungen auch für Deutschland etwa durch zunehmende Fluchtbewegungen.
Allein in Gaza seien 1,1 Millionen Kinder dringend auf Hilfe angewiesen, so Cathrine Russell. Hunger und Unterernährung seien dort tägliche Realität. In Bäckereien fehle es an Mehl, öffentliche Küchen hätten aus Mangel an Lebensmitteln schließen müssen. 350.000 Menschen seien in Zentral-Gaza auf Lebensmittelhilfe angewiesen, ergänzte Skau. Die Ausweitung des Kriegs in Israel und Gaza nun auch auf den Libanon habe mehr als eine Million weitere Menschen zur Flucht gezwungen. Die Kampfhandlungen träfen das Land hart, das sich bereits seit 2019 in einer schweren Wirtschaftskrise befinde und gegen eine dramatische Inflation kämpfe. Jeder Vierte lebe in Armut und Ernährungsunsicherheit. Am Wochenende sei nun ein erster gemeinsamer Konvoi von WFP und UNICEF in den Südlibanon aufgebrochen, um dort lebensrettende Hilfe zu leisten, 150.000 Menschen würden dort derzeit täglich mit Hilfspaketen versorgt. Es werde mit einem steigenden Bedarf gerechnet. Der Libanon könne künftig kaum selbst für die Lebensmittelversorgung aufkommen, da landwirtschaftliche Flächen g bombardiert würden. Der nahende Winter verschärfe die Lage.
Dabei werde der Spielraum für humanitäre Hilfe insgesamt kleiner, klagten Skau und Russell. Oftmals sei es kaum möglich, Hilfsbedürftige überhaupt zu erreichen, weil immer wieder, wie etwa gerade in Gaza, Teile des Gebietes komplett abgeriegelt, oder, wie im Sudan, aufgrund Überschwemmungen nicht zugänglich seien. Im Sudan seien 1,5 Millionen Menschen von einer Hungersnot bedroht, das ganze Land sei von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, berichtete Skau Insgesamt 8,5 Millionen Menschen unterstütze das WFP dort.
Als einen weitere Krisen-Hotspots nannte Skau am Mittwoch im Ausschuss den Jemen: Nach Fortschritten in den vergangenen Jahren verschlechtere sich die Lage dort nun jedoch wieder. Das WFP habe dort zuletzt 1,5 Millionen Menschen Nothilfe leisten müssen. 2,5 Millionen weitere müsse man aber eigentlich erreichen. Dafür brauche es dringend Unterstützung, um diese Lebensmittelhilfe dort leisten zu können, erklärte Skau den Abgeordneten. Diese brauche es aber auch in der Ukraine, der Sahelzone, in Myanmar und Haiti. Der WFP-Vizechef sprach von einem „Gürtel der Instabilität“, der sich schon jetzt von Afrika bis zum Nahen Osten ziehe.
Ihre Organisationen versuchte alles, um effizienter zu arbeiten und mit begrenzten Mitteln handlungsfähig zu bleiben, bekräftigten die VN-Vertreter. Man arbeite vermehrt auch zusammen und koordiniere die Hilfsmaßnahmen untereinander, um Überschneidungen und Doppelstrukturen zu vermeiden, so Russell. Sie reagierte damit auf Befürchtungen seitens der Abgeordneten, dass sich zu viele Akteure vor Ort behindern könnten. Doch die globalen Bedarfe überstiegen das, was man leisten könne. In Afghanistan habe man aufgrund von Finanzierungslücken schon die Hilfen massiv reduzieren müssen. Statt 5,5 Millionen Menschen könne man dort jetzt nur noch eine Million Menschen unterstützen. Skau wies auf die Auswirkungen dieser Kürzungen hin: Hunger könne ganze Regionen destabilisieren.