General Zorn bewertet Evakuierung in Kabul als Erfolg
Berlin: (hib/CRS) Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn hat auf die Rolle mangelnder Führung und später Entscheidungen hingewiesen. Zorn wurde am vergangenen Donnerstag bei der 85. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses Afghanistan angehört. Der Ausschuss untersucht die Ereignisse zwischen dem Doha-Abkommen, mit dem die USA und die Taliban den Rückzug internationaler Truppen aus Afghanistan vereinbarten und der chaotischen Evakuierung vom Flughafen Kabul im August 2021.
Gleich zu Beginn seiner Ausführungen sagte Zorn, der im Untersuchungszeitraum der ranghöchste General der Bundeswehr war, das generelle Dilemma sei, dass man immer sehr lange versuche, diplomatische Lösungen ohne Militäreinsatz zu finden. „Sobald das scheitert, sollen wir hin, aber das braucht Vorlauf“, sagte er.
Bezüglich der Rückführung des deutschen Kontingents habe man immer darauf gewartet, dass eine Entscheidung kommt, erklärte der Zeuge. „Wir haben uns durchgehangelt“, sagte er. „Das führt zu viel Planungsarbeit.“ Dennoch sei der Abzug „mit den sich immer verändernden Rahmenbedingungen vorbildlich ausgeführt worden“.
Komplizierter sei es in Bezug auf die Evakuierungsmission gewesen. Die Bundeswehr habe zwar auch für dieses Szenario eine Eventualplanung gemacht, führte Zorn aus. Dabei sei aber zunächst von 300 deutschen Staatsangehörigen ausgegangen worden, die nach Deutschland ausgeflogen werden müssten.
Bei der Evakuierung der Ortskräften seien viele Entscheidungen zu spät getroffen worden, sagte Zorn. „Wir“ - und damit meinte er die deutsche Regierung - „haben uns monatelang damit beschäftigt, weil wir nicht in der Lage waren, Visa auszustellen. Und wenn wir das nicht wuppen können, dann ist das Verfahren zu kompliziert“, so sein Resümee. Auch Charterflüge für die Evakuierung von Ortskräften seien zu spät erwogen worden. Als das irgendwann im Juni 2021 ins Gespräch gebracht worden sei, „war der Zug abgefahren“.
Die Amerikaner und die Briten hätten vier oder fünf Tage vor den Deutschen begonnen zu evakuieren, berichtete der ehemalige Generalinspekteur. Sie hätten jedoch andere Strukturen. Bei den US-Streitkräften gebe es eine Division, die dem Präsidenten unterstehe und wenn der sage, „es geht los“, dann würden sie auch sofort einfliegen. Eigene Analysen hätten gezeigt, dass es in Deutschland keine Kräfte gebe, die nur für Evakuierung zuständig seien.
Das Ergebnis der Bilanz, die auf Anweisung der damaligen Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erstellt wurde, habe dennoch gezeigt, dass die Evakuierung - rein militärisch - eine der besten Operationen gewesen sei, die die Bundeswehr je gemacht habe.
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr gab auch über die Unterrichtung des Bundestages Auskunft. Vor allem, weil viele Informationen eingestuft seien, versuche man die Lage mehr im Gespräch zu erklären, als sie aufs Papier zu bringen. In den Ausschüssen würde alles erzählt, denn dort werde das Eingestufte respektiert. Es könne aber sein, dass der schriftliche Bericht für das Parlament eingeschränkt gewesen sei, weil es dort eher öffentlich werde.
Zorn unterstrich während seiner Befragung drei Punkte, die zu beachten seien für eventuelle zukünftige Evakuierungsoperationen. Erstens müssten Einsatzkräfte zu ihrem eigenen Schutz dafür explizit ausgebildet werden. Zweitens müsse die technische Ausrüstung vorgehalten werden. Und drittens sollten Verträge für logistische Unterstützung mit verschiedenen Ländern und Nato-Mitgliedern in den Einsatzregionen abgeschlossen werden. Deutschland verfüge heute über keine eigenen Stützpunkte.