Warnung vor noch mehr Agrar-Bürokratie
Berlin: (hib/HLE) Der Deutsche Bauernverband hat vor noch mehr Bürokratie bei der Umsetzung der sozialen Konditionalität in der Landwirtschaft im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union gewarnt. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Montag unter Leitung des Vorsitzenden Hermann Färber (CDU/CSU) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des GAP-Konditionalitäten-Gesetzes“ (20/10819) erklärte die Organisation, die Bundesregierung tue gut daran, die nun zusätzlich noch bei der GAP-Förderung hinzukommende soziale Konditionalität unbürokratisch und ohne neue Nachweis- und Dokumentationspflichten für die Landwirte umzusetzen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftig bei Nichteinhaltung bestimmter arbeitsschutzrechtlicher sowie arbeitsrechtlicher Vorschriften aus den Bereichen Beschäftigung, Gesundheit und Sicherheit Verwaltungssanktionen verhängt werden können.
Nach Ansicht des Bauernverbands ist das Maß an bürokratischem Aufwand für Landwirte, Berater und Behörden „bereits deutlich überzogen“. Ein nochmaliges Mehr davon wäre nicht zu verkraften. Die Regierungen von Bund und Ländern sollten ihre Hausaufgaben zum Bürokratieabbau hierzulande erledigen und sich auf europäischer Ebene vehement für eine Reduzierung der bürokratischen Lasten insbesondere bei der GAP-Förderung einsetzen, appellierte die Organisation. Auch Professor Friedrich Kerkhof (Fachhochschule Südwestfalen Soest) forderte, die Bürokratielast müsse „dringend reduziert“ werden. Für viele Betriebe sei die Bürokratielast kaum noch überschaubar.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft begrüßte, dass mit der sozialen Konditionalität in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die Arbeitsbedingungen, insbesondere prekär beschäftigter Menschen in der Landwirtschaft, endlich verbessert werden sollten. Zugleich mahnte die Organisation Verbesserungen an. Ohne eine Erweiterung der Vor-Ort-Kontrollen und die Einrichtung einer Beschwerdestelle, bei der zum Beispiel Gewerkschaften Verstöße melden könnten, sei eine erfolgreiche Einführung der sozialen Konditionalität „kaum vorstellbar“.
Mit der im Verordnungsvorschlag (COD2024/0073) zur Änderung des GAP-Basisrechts geplanten Aufhebung des Mindestanteils nichtproduktiver Flächen (Brachen) befasste sich Professor Sebastian Lakner, Leiter des Lehrstuhls für Agrarökonomie an der Universität Rostock. Der Vorschlag sieht vor, die Verpflichtung für die Betriebe, einen Anteil von mindestens vier Prozent nichtproduktiver Flächen vorzuhalten, vollständig aufzuheben. Die Rücknahme der Maßnahme stelle einen „erheblichen Einschnitt“ in die grüne Architektur der GAP dar, kritisierte Lakner. Die nicht-produktiven Flächen seien eine wirksame und daher essentielle Maßnahme zur Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft. So sei das Vorkommen von Feldvogelarten eng mit dem Vorhandensein von Brachen assoziiert. Dies betreffe insbesondere die Gruppe der Bodenbrüter wie Feldlerche, Rebhuhn, Wachtelkönig und Kiebitz. In Studien seien darüber hinaus positive Effekte der Brachen für Insekten oder Ackerwildkräuter nachgewiesen worden. Auch werde durch Brachen ein ausgeglichenes Mikroklima begünstigt, Winderosion werde verhindert. Zur sozialen Konditionalität sagte Lakner, einerseits müsste die Rechte der Beschäftigten geschützt werden. Andererseits sollten Kontrollen mit möglichst überschaubarem bürokratischem Aufwand für die Betriebe verbunden werden
Scharfe Kritik an der Aufhebung des Mindestanteils nichtproduktiver Flächen kam auch von Professor Friedhelm Taube (Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel).Mit der nun geplanten Streichung entfalle die bisher „zentrale Leistung für die Biodiversität in ausgeräumten Agrarlandschaften“. Dies sei Rückschritt. Damit werde der bisher weitgehend politisch einvernehmlich notwendige Umbau der Agrarzahlungen weg von Flächenprämien hin zu dokumentierten Umweltleistungen politisch abgewickelt. Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, riet dazu, den Wegfall der Brachflächen über andere Maßnahmen zu kompensieren. Eine solche Regelung müsse aber „richtig attraktiv sein“.