EU-Pauschalreiserichtlinie in der Kritik
Berlin: (hib/HLE) Reiseveranstalter haben vor zusätzlicher Regulierung der bei deutschen Urlaubern sehr beliebten Pauschalreisen durch eine Änderung der EU-Pauschalreiserichtlinie gewarnt. Auch die Bundesregierung ist mit den bisherigen Brüsseler Plänen unzufrieden und drängt auf Änderungen, wurde in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Tourismus unter Leitung der Ausschussvorsitzenden Jana Schimke (CDU) am Mittwoch deutlich. „Wir haben einen absoluten Goldstandard bei Pauschalreisen. Jetzt muss auch gut sein“, stellte etwa Norbert Fiebig, der Präsident des Deutschen Reiseverbandes, fest.
Eine Vertreterin der Bundesregierung erläuterte zu dem EU-Vorhaben, die vorgesehene Anpassung der Definition der Pauschalreise und der verbundenen Reiseleistungen werde zu einer deutlichen Ausweitung des Begriffs Pauschalreise führen. So sollen Buchungen verschiedener Einzelreiseleistungen automatisch als Pauschalreise gelten, wenn sie innerhalb von drei beziehungsweise 24 Stunden erfolgen. Diese Ausweitung gehe über den Grundgedanken des geltenden Rechts hinaus, das die Pauschalreise als „Rundum-Sorglos-Paket“ ansehe mit umfassender Insolvenzabsicherung. In Zukunft würden jedoch separate Buchungen verschiedener Einzelreiseleistungen in einer Vertriebsstelle nur aufgrund einer zeitlichen Komponente von drei beziehungsweise 24 Stunden zu einer Pauschalreise werden. Für die mittelständisch geprägte Reisebranche hätte die Neuerung massive Auswirkungen, da sich diese Firmen eine Haftung als Reiseveranstalter nicht leisten könnten.
Auch beim Rücktrittsrecht der Reisenden gibt es nach Ansicht der Bundesregierung noch umfangreichen Beratungsbedarf. Bisher können Reisende vor Beginn der Reise zurücktreten, wenn am Bestimmungsort unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten. Künftig soll es auch beim Auftreten solcher Umstände am Wohnort oder Abreiseort solcher Umstände ein kostenloses Rücktrittsrecht bestehen. Aus einem auf den Reiseveranstalter übertragenen Risiko (Umstände am Bestimmungsort) würden damit drei Risiken, die voll zu Lasten der Reiseveranstalter gehen sollten.
Professor Ansgar Staudinger (Universität Bielefeld) warnte: „Wenn wir alles zu Pauschalreisen machen, wird das der Untergang der Vermittler sein.“ Verbundene Reiseleistungen könnten nicht automatisch zu Pauschalreisen gemacht werden.
Der Reiseveranstalter TUI forderte in seiner Stellungnahme, zusätzliche Belastungen für Pauschalreisen - die den Verbraucherschutz nicht wirksam und nachhaltig verbessern - müssten vermieden werden. Anbieter von Pauschalreisen seien im Vergleich zum Wettbewerb schon heute hochgradig reguliert. Die Novellierung sollte daher so ausgestaltet werden, dass Pauschalreisen auch künftig zu attraktiven Konditionen angeboten werden und im globalen Reisemarkt wettbewerbsfähig bleiben könnten.
Der Deutsche Reiseverband wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass 2023 mit 47 Prozent fast jede zweite in Deutschland verkaufte Reise eine Pauschalreise gewesen sei. Der europaweite Anteil von Pauschalreisen liege bei lediglich 14,8 Prozent. Die sehr umfangreichen Verpflichtungen der Pauschalreiseveranstalter würden diese finanziell erheblich belasten und einen Wettbewerbsnachteil darstellen.
Der Veranstalter Dertour/REWE-Group erklärte in seiner Stellungnahme, die Änderungen bei den „verbundenen Reiseleistungen“ würden einen deutlichen Einschnitt in die Vielfalt der Reiseangebote zur Folge haben. Die potenzielle Veranstalterhaftung für selbstständige Reisebüros könne zu einer Verteuerung von Reiseleistungen und zu einer Konsolidierung des Wettbewerbs führen. Im Endeffekt gehe das zu Lasten der Reisenden sowie der Marktvielfalt.
Von der Allianz selbstständiger Reiseunternehmen hieß es, Pauschalreiseanbieter würden bereits heute einen erstklassigen Verbraucherschutz bieten. Eine Verschärfung der Pauschalreiserichtlinie werde zu Kostensteigerungen führen und somit zu unvermeidbaren Preiserhöhungen der Urlaubsreisen. Der Deutsche Ferienhausverband warnte, wenn Buchungen ab einem Reisepreis von 500 Euro oder ab sieben Übernachtungen dem Pauschalreiserecht unterworfen würden, sei der Rückzug vieler kleiner Anbieter aus dem Markt zu befürchten - mit gravierenden Konsequenzen für die Tourismusregionen in Deutschland.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband bezeichnete die Pauschalreise-Richtlinie als wichtiges Verbraucherschutzinstrument. Die Thomas-Cook-Pleite und die Corona-Pandemie hätten jedoch erhebliche Mängel in der aktuellen Pauschalreise-Richtlinie aufgezeigt, wie etwa die ungenügenden Regelungen zur Insolvenzabsicherung. Die EU-Kommission sei bemüht, ein hohes Maß an Verbraucherschutz zu gewährleisten und diese Lücken zu schließen. Das gelinge auch überwiegend. Die Möglichkeit von Tricks bei Buchungen dürfe es nicht mehr geben.
Roosbeh Karimi, Rechtsbeistand des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros sagte, die Verbraucher wüssten bei Onlinebuchungen heute oft nicht, was sie buchen würden. In Reisebüros gebe es diese Probleme nicht. In seiner Stellungnahme forderte er ein „klares Signal pro Pauschalreise“. Die Ansätze des jetzigen Kommissionsentwurfs seien gut gemeint, würden jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg bleiben. Nur die Anhebung des Schutzstandards weiterer Reiseprodukte insgesamt sowie vereinfachte Informationspflichten könnten zu mehr Transparenz und damit zu einem durchweg besser geschützten europäischen Reisemarkt führen.