GIZ wollte Ortskräfte an anderen Orten im Land unterbringen
Berlin: (hib/CRS) Im Mittelpunkt der 72. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses Afghanistan des Bundestages am Donnerstag stand die Evakuierung der Ortskräfte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan. Dazu befragte der Ausschuss als erste Zeugin die ehemalige Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) Tanja Gönner. Gönner informierte den Ausschuss über die Evakuierungsbemühungen der GIZ und ihre Kontakte zur damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU).
Die Juristin berichtete, dass sie damals bei der GIZ für die Unternehmenssicherheit zuständig gewesen sei. Sie sei immer informiert gewesen, wie sich die Lage in Afghanistan entwickelte, aber das Operative sei nicht in ihrem Aufgabenbereich gewesen. In der „intensiven Phase“ jedoch habe sie auch zwei Mal die damalige Bundeskanzlerin und auch die damalige Bundesministerin für Verteidigung Kramp-Karrenbauer kontaktiert.
Dabei sei es vor allem darum gegangen, direkten Kontakt zu den deutschen Kräften im Flughafen Kabul zu bekommen, um Ortskräfte und ihre Familien in den Flughafen bringen zu können. Aber auch darum, herauszufinden, wie lange der Einsatz US-Kräfte im Kabuler Flughafen dauern könnte. Alle diese Bemühungen hätten nicht zu größerem Erfolg geführt, weil die Umstände am Flughafen dies nicht erlaubt hätten. Laut Gönner sind es am Ende 20 bis 30 Ortskräfte und ihre Familien gewesen, die ausgeflogen werden konnten. „Als die Amerikaner die Evakuierung beendeten, war klar, dass die meisten Mitarbeiter nicht evakuiert werden konnten“, sagte sie.
Gönner räumte ein, dass die GIZ geplant hatte, die Ortskräfte aus Sicherheitsgründen notfalls an anderen Standorten innerhalb des Landes unterzubringen. Diese Überlegung habe mit dem Wunsch der GIZ zu tun gehabt, weiterhin in Afghanistan tätig zu sein. Gönner führte aus, dass sie ein Szenario für wahrscheinlich hielt, in dem die Taliban an der Macht beteiligt werden würden. Unter Umständen hätte das eine Fortsetzung der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ermöglicht. Dabei hätten für die GIZ die Sicherheit der nationalen Mitarbeiter und daher auch Sicherheitsgarantien im Fokus gestanden. Seitens der Bundesregierung habe es Versuche gegeben, erinnerte sich Gönner, mit den Taliban direkte Gespräche zu führen, um herauszufinden, ob die Entwicklungszusammenarbeit später weitergeführt werden könnte.
Die Zeugin unterstrich, dass das gesetzlich vorgesehene Ortskräfteverfahren (OKV) „sehr bürokratisch und langwierig“ sei. Man hätte ab April 2021 vertiefte Gespräche mit dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geführt, um eine Änderung des Verfahrens zu erreichen. Im Rahmen von Gesprächen, fügte Gönner hinzu, sei darauf hingewiesen worden, dass sich die Mitarbeiter Pässe besorgen sollten. Die GIZ habe auch sehr schnell Listen erstellt und geliefert. Sie wisse jedoch nicht, wer diese Listen zusammengestellt hatte, so Gönner.
Die Abgeordneten erkundigten sich unter anderem zu einem Brief, in dem den Ortskräften ein in der Öffentlichkeit als „Bleibeprämie“ bekanntgewordene finanzielle Hilfe angeboten worden sei. Dazu erläuterte Gönner, dass der Begriff falsch sei. Denn es habe sich um ein Angebot an Mitarbeiter gehandelt, die das Land aus verschiedenen Gründen nicht verlassen wollten: „Wir sagten den Kollegen, dass wir auch in der Zukunft dort sein würden, aber wir wollten ihnen eine Sicherheit geben, falls sie in eine gefährliche Situation kämen. Wir wollten signalisieren, wir hätten sie vor Ort, weil sie unsere besten Assets sind.“ Zu keinem Zeitpunkt habe es im Vorstand den Gedanken gegeben, dass diejenigen, die das Angebot annehmen, vom Ortskräfteverfahren ausgeschlossen werden würden.