Experten fordern Konkretisierung des Klimaschutzgesetzes
Berlin: (hib/CHB) Die geplante Änderung des Bundesklimaschutzgesetzes (19/30230) ist in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit teilweise scharf kritisiert worden. Sachverständige bemängelten in der von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Sitzung am Montag, 21. Juni 2021, insbesondere, dass der Gesetzentwurf zwar Ziele festlege, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlichen Maßnahmen aber offen lasse.
Die Novelle des Klimaschutzgesetzes geht auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zurück. Dem Gesetzentwurf zufolge soll der Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringert werden; bisher betrug das Reduktionsziel 55 Prozent. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88 Prozent verringert werden, und im Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Der Umweltausschuss gibt am Dienstag seine Beschlussempfehlung zur Novelle ab. Das Bundestagsplenum wird laut Tagesordnung am 24. Juni über die Vorlage entscheiden.
Die verschärften Klimaschutzziele müssten mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden, forderte Detlef Raphael von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Damit diese Maßnahmen nicht die gleichwertige Entwicklung der Regionen gefährdeten, brauche es Ausgleichsmechanismen. Nötig seien ferner ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes, wobei der Schwerpunkt auf Quartieren und nicht auf Einzelgebäuden liegen müsse.
Die Novelle gehe weit über das hinaus, was das Bundesverfassungsgericht gefordert habe, kritisierte Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Dabei sei es versäumt worden, die ökonomischen und sozialen Folgen der verschärften Klimaschutzziele abzuschätzen. Die Politik müsse aber die Fragen nach der Wirtschaftlichkeit und der praktischen Umsetzbarkeit der Klimaschutzziele beantworten. Zudem erzeuge der Gesetzentwurf Unsicherheit, da die übergeordnete europäische Klimaschutzstrategie noch gar nicht feststehe.
Der vorliegende Gesetzentwurf entspreche den Anforderungen des Verfassungsgerichts, sagte Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht. Allerdings müsse der Gesetzgeber noch festlegen, mit welchen Maßnahmen der Klimaschutz erreicht werden solle. Zudem müsse das Gesetz unter Umständen erneut überarbeitet werden, sofern es Änderungen auf europäischer Ebene geben sollte.
Die verschärften Klimaschutzziele seien nur erreichbar, wenn die Rahmenbedingungen stimmten, betonte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Dabei lasse der Gesetzentwurf wichtige Punkte offen. Das betreffe zum Beispiel den notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien, der schon jetzt auf der Stelle trete. Zudem äußere sich das Gesetz nicht zu den enormen Summen, die mobilisiert werden müssten, um Innovationen zu fördern. Und schließlich müsse die Politik verhindern, dass die Klimaschutzpolitik zur sozialen Verteilungsfrage werde.
Generationengerechtigkeit heiße auch, dass zukünftige Generationen eine intakte Wirtschaft mit guten Arbeitsplätzen vorfänden, betonte Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Die verschärften Klimaschutzziele beschleunigten den Strukturwandel der Wirtschaft und bewirkten Ängste um den Arbeitsplatz. Deshalb brauche es schnell ein Maßnahmenpaket, das Klimaschutz mit Beschäftigung und guter Arbeit verbinde.
Der Gesetzentwurf sei notwendig und eröffne Chancen für die Wertschöpfung und die industrielle Entwicklung, sagte Alexander Götz vom Verband kommunaler Unternehmen. Es fehlten aber die nötigen Rahmenbedingungen und eine klare Strategie, um die Ziele zu erreichen. Zudem sei es riskant, die technologischen Optionen zu stark zu verengen.
Die Notwendigkeit des Klimaschutzgesetzes grundsätzlich in Frage stellte der William Happer, emeritierter Physik-Professor an der Princeton University. Das Klima habe sich seit Bestehen der Erde immer verändert, die Menschen hätten mit dem Klimawandel wenig zu tun. Dafür, dass CO2 einen wesentlichen Einfluss auf den Klimawandel habe, gebe es keinen Beweis.
Für eine kosteneffiziente Klimapolitik sprach sich Joachim Weimann von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg aus. Klimapolitik müsse dort ansetzen, wo die Kosten der CO2-Reduktion am geringsten seien. Diese Suche nach kosteneffizienten Lösungen müsse über alle Sektoren und alle Länder hinweg erfolgen. Das Klimaschutzgesetz erzwinge aber eine sektorale und nationale Vermeidungsstrategie, womit es die Lasten maximiere und den im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts formulierten Zielen diametral entgegenstehe.
Die Ziele des Gesetzentwurfs blieben hinter den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zurück, kritisierte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe, die zwei der Verfassungsbeschwerden initiiert hatte. Entscheidend sei, sofort Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes zu ergreifen. Konkret forderte Metz ein Tempolimit, eine Sanierungsoffensive im Gebäudebereich und eine konsequente Umstellung auf Mehrwegverpackungen.
Sie könne nicht nachvollziehen, wie man zur Einschätzung kommen könne, die Novelle entspreche dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, sagte Roda Verheyen von der Rechtsanwälte Günther Partnerschaft, die einige der Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten hatte. Insbesondere lasse sich aufgrund des Gesetzentwurfs kein Treibhausgasbudget berechnen. Außerdem sei vollkommen unklar, welche Schritte ergriffen würden, um die Transformation einzuleiten.