Experten diskutieren über Gewerbemietrechtsreform
Berlin: (hib/MWO) Um zwei Gesetzentwürfe und einen Antrag zum Thema Mietrecht ging es in einer Anhörung im Rechtsausschuss am Mittwochabend. Auf der Tagesordnung der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleiteten Sitzung standen ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Ergänzung mietrechtlicher und gewerbemietrechtlicher Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (19/23116), ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Kleingewerbe und soziale Einrichtungen vor Mietenexplosion und Verdrängung schützen“ (19/16837) sowie ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Einführung einer Schonfristzahlung bei ordentlichen Kündigungen von Wohnraummietverträgen und zur Bekämpfung des Mietnomadentums (19/20589).
Im Zentrum der Stellungnahmen standen die Probleme der Gewerbemieter. Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein schilderte aus seiner Praxis die Schwierigkeiten von Kleingewerbetreibenden und soziale Trägern. Er sprach sich für eine Ausweitung des Kündigungsschutzes und für ein spezielles Gewerbe-Kündigungsrecht aus. Bei teilweise gleicher Schutzwürdigkeit könne auf das Wohnraummietrecht verwiesen werden. Wie im Wohnraum-, sollten auch im Gewerbemietrecht die Vermieterkündigungen stets an einen Grund gekoppelt werden.
Der Berliner Rechtsanwalt Moritz Heusinger erklärte, das im Bürgerlichen Gesetzbuch angesiedelte und nicht einmal ausdrücklich geregelte deutsche Gewerbemietrecht stelle sich europaweit als eines der mieterunfreundlichsten gesetzlichen Regelungen dar. Neben weiteren Ursachen führe dies zu einer Verdrängung gerade kleinerer unter das Gewerbemietrecht fallender Unternehmer und Geschäfte aus deutschen Innenstädten. Der Gesetzesentwurf der Grünen stelle eine dringend erforderliche Anpassung des bislang weitgehend ungeregelten Gewerbemietrechts mit dem Ziel der Wiederherstellung des für den Markt wichtigen Gleichgewichts zwischen Vermieter- und Mieterseite dar.
Ira Hörndler vom Deutscher Anwaltverein begrüßte den Ansatz, nicht alle Gewerbemieter gleich zu behandeln. Es gebe keine grundsätzlichen Einwände dagegen, Kleingewerbetreibende und soziale Einrichtungen zu schützen. Die vorliegenden Vorschläge würden allerdings zu erheblichen Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung führen. Bedenken bestünden auch dagegen, die Regelungsdichte im Mietrecht immer weiter zu erhöhen, da dies zu Unübersichtlichkeit und damit Rechtsunsicherheit bei den als schützenswert angesehenen Mietern, aber auch Kleinvermietern führe.
Sebastian Klöppel vom Deutscher Städtetag erklärte, die dem Gesetzentwurf der Grünen zugrunde liegende Einschätzung, dass das Instrument der Mietpreisbremse weiter optimierungsfähig und -bedürftig ist, werde geteilt. Das treffe auch auf die Ziele dieses Gesetzentwurfs und des Antrags der Linken zu. Dies gelte insbesondere im Falle schutzwürdiger Interessen von Trägern kultureller und sozialer Einrichtungen. Die geforderte Übertragung mietpreisregulierender Instrumente aus dem Wohnraum-Mietrecht halte der Deutsche Städtetag aktuell nicht für rechtssicher umsetzbar. Der Gesetzentwurf der AfD weise eine Reihe von Parallelen zu den Vorlagen der anderen Fraktionen auf und müsse daher nicht gesondert behandelt werden.
Für Carsten Kühl vom Deutschen Institut für Urbanistik ist eine Novellierung des Gewerbemietrechts im BGB grundsätzlich ein geeignetes Instrument zur Unterstützung des Transformationsprozesses in Innenstadtlagen und Stadtteilquartieren. Die in den Vorlagen der Grünen und der Linken angesprochenen Punkte wie Kündigungsschutz und Mietenbegrenzung zielten in die richtige Richtung. Aus juristischer Sicht werde in Zweifel gezogen, ob die vorhandenen Datengrundlagen ausreichend sind, um die angestrebten mietrechtlichen Veränderungen im Gewerbebereich rechtssicher herbeizuführen, beispielsweise um einen Gewerbemietspiegel zu erstellen.
Der Präsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD), Jürgen Michael Schick, kritisierte die im Grünen-Entwurf vorgesehenen zahlreichen Verschärfungen des Wohnraummietrechts im Regelungsbereich der Mietpreisbremse und der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese würden abgelehnt. Zudem sehe der Entwurf für das Gewerberaummietrecht zahlreiche mieterschützende Elemente vor, die es bisher nur im Wohnraummietrecht gebe. Der IVD lehnt eine Übertragung von Teilen des sozialen Wohnraummietrechts auf das Gewerberaummietrecht ab, auch wenn der angestrebte Schutz nur für kleinere Unternehmer und bestimmte soziale Einrichtungen gelten soll.
Steffen Sebastian von der Universität Regensburg hält immer weitere Verschärfungen zulasten der Vermieter, wie auch im Grünen-Entwurf vorgesehen, nicht für zielführend. Es deute Einiges darauf hin, dass es sich bei der jetzigen Situation in Deutschland zu einem großen Teil auch um ein Marktversagen durch eine fehlerhafte Regulierung handle. Statt erneut die ewig gleichen Instrumente, die auch in der Vergangenheit nicht geholfen hätten, erneut zu verschärfen, sollte den in der laufenden Legislaturperiode beschlossenen Maßnahmen wie der Verschärfung der Mietpreisbremse und der Dynamisierung des Wohngeldes erst einmal Zeit gegeben werden, zu wirken.
Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund Deutschland, erklärte, die Vorschläge im Gesetzentwurf der Grünen und im Antrag der Linken gingen weit über das Ziel hinaus und würden abgelehnt. Der deutsche Mietmarkt werde dadurch weiter geschwächt. Auch Eingriffe in das Gewerberaummietrecht seien sowohl im Hinblick auf die Verödung von Innenstädten als auch vor den aktuellen Entwicklungen aufgrund der Corona-Politik nicht geboten. Es sollte jetzt darum gehen, so Warnecke, gemeinsam die Innenstädte zu revitalisieren, ohne einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen.