Anhörung zu Verfassungsschutzrecht
Berlin: (hib/STO) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts“ (19/24785) sowie je ein Antrag der Fraktionen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sind am Montag, den 17. Mai 2021, Thema einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat. Zu der öffentlichen Veranstaltung, die um 12.00 Uhr beginnt, werden sechs Sachverständige erwartet. Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Öffentlichkeit ausschließlich über eine TV-Übertragung/-Aufzeichnung hergestellt.
Mit ihrem Gesetzentwurf will die Bundesregierung „insbesondere auf die aktuellen Ereignisse im Bereich des Rechtsterrorismus“ und -extremismus reagieren. „Diese gebieten, auch Einzelpersonen gezielt in den Blick zu nehmen“ sowie die Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) gerade bei der Aufklärung des Rechtsextremismus zu verbessern, schreibt die Bundesregierung in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Angesichts gewandelter Kommunikationsgewohnheiten sieht die Vorlage zudem für die Nachrichtendienste „ergänzende Aufklärungsbefugnisse durch die Regelung zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung auch von Messengerdiensten“ vor. Laut Bundesinnenministerium ist die „Quellen-TKÜ“ insbesondere für die Überwachung digitaler und verschlüsselter Kommunikation wichtig, die oft über Messengerdienste erfolgt.
Die Quellen-TKÜ setzt danach im Endgerät an, bevor die Nachrichten technisch verschlüsselt werden beziehungsweise wenn sie wieder entschlüsselt sind. Die Regelung zur Quellen-TKÜ erweitere die rechtlichen Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung nicht, sondern sorge dafür, „dass die Täter sich der Aufklärung technisch nicht mehr durch Wahl des Kommunikationsmittels entziehen können“. Flankierend sollen den Angaben zufolge die Voraussetzungen für eine verbesserte und erweiterte Kontrolle von TKÜ durch die sogenannte G10-Kommission geschaffen werden.
Zur besseren Bekämpfung des Rechtsextremismus ist in dem Gesetzentwurf eine erweiterte Beobachtung von Einzelpersonen vorgesehen. Die Frühwarnfunktion des Verfassungsschutzes erfordere gerade nach den Anschlägen in Halle am 9. Oktober 2019 und Hanau am 19. Februar 2020 „angesichts eruptiver Radikalisierungsverläufe von Einzelpersonen, Extremisten bereits im Vorfeld militanter Handlungen besser in den Blick nehmen zu können“, heißt es dazu in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Danach soll zugleich der Informationsaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden und dem MAD durch die erweiterte Möglichkeit gemeinsamer Datenhaltung technisch unterstützt werden. Damit werde auch die übergreifende Analysefähigkeit bei Auswertung vorhandener Informationen unter Einbezug des Geschäftsbereichs des Verteidigungsministeriums verbessert.
Nach dem Willen der FDP-Fraktion soll die Bundesregierung „im Rahmen ihrer Vorschläge zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts auf eine Ausweitung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BfV) ebenso verzichten wie auf eine „Streichung der strengeren Voraussetzungen“ für die Speicherung der Daten von Minderjährigen unter 14 Jahren. In ihrem Antrag (19/16875) fordert die Fraktion die Bundesregierung zudem auf, auf die Einführung eines Betretungsrechts von Privaträumen zur Anbringung von Überwachungseinrichtungen für das BfV zu verzichten. Bevor neue Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden, müssten die bestehenden Maßnahmen in einer „Überwachungsgesamtschau“ bewertet werden.
„Zivilgesellschaft stärken, Verfassung wirksam schützen“ lautet der Titel des Antrag der Linken-Fraktion (19/8960). Darin dringt die Fraktion auf eine Neuorganisation des Verfassungsschutzes. Danach soll eine „ministerialfreie Koordinierungsstelle“ eingerichtet werden, „die für Zwecke des Verfassungsschutzes lediglich über umstürzlerische Tätigkeiten Unterlagen sammelt, ohne eigene Befugnisse zur Informationsbeschaffung zu besitzen“. Sie soll der Vorlage zufolge Erkenntnisse von Behörden des Bundes und der Länder sowie aus dem Ausland entgegennehmen und den Austausch dieser Erkenntnisse zwischen den Ländern koordinieren sowie das bisherige „Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BfV) ablösen. Auch soll nach dem Willen der Fraktion unter anderem eine „Bundesstiftung zur Beobachtung, Erforschung und Aufklärung aller Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Demokratiefeindschaft“ errichtet werden. Diese Bundesstiftung soll die von der Koordinierungsstelle gesammelten Informationen entgegennehmen und daneben selbständig allgemein zugängliche Informationen erheben und wissenschaftlich aufarbeiten sowie unter anderem die Bundesregierung, ihre nachgeordneten Behörden und den Bundestag beraten.
Die Grünen-Fraktion dringt mit ihrem Antrag (19/8700) auf einen „Neustart des Verfassungsschutzes des Bundes“. Danach soll der Schutz der Verfassung im Bund „strukturell wie inhaltlich neu organisiert werden“. Im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums sollen dazu nach dem Willen der Fraktion ein unabhängiges „Institut zum Schutz der Verfassung (ISV)“ sowie ein „ Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr (BfGS)“ geschaffen werden. Das neue Institut soll laut Vorlage nur öffentliche Quellen analysieren und dabei zuständig sein für die laufende wissenschaftliche Beobachtung und Erforschung von Strukturen und Zusammenhänge demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen, die gegen den Rechtsstaat und die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Ferner sieht der Antrag vor, ein „strukturell völlig neues Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr“ aufzubauen, „das mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeitet“.