BND-Chef: Wirecard war nicht Gegenstand unserer Beobachtung
Berlin: (hib/LL) Mit dem ursprünglich vorgesehenen Sitzungstag kam der 3. Untersuchungsausschuss („Wirecard“) zeitlich einmal mehr nicht hin. Fünf Zeugen waren zu viel, auch für den bereits langen Donnerstag. So trat das Gremium erneut am Freitag zusammen , um Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), zu befragen.
Bis zur Insolvenz von Wirecard im Juni 2020 habe der BND keinerlei Anhaltspunkte für Geldwäscheaktivitäten bei dem Zahlungsdienstleister gehabt, erklärte Kahl. Welche massive kriminelle Energie bei Wirecard im Spiel war, das habe auch der Nachrichtendienst nicht gewusst. Die Situation des DAX-Konzerns sei aber bis zu dessen Insolvenz auch „nicht Gegenstand unserer Beobachtung“ gewesen. Erst seit Bekanntwerden des Bilanzskandals leiste der BND in dem Fall seinem Auftragsprofil gemäß Aufklärungsarbeit, zahlreiche Anfragen aus Regierung und Parlament hätten sein Haus seit vergangenem Sommer dazu erreicht.
„Seitdem haben wir uns intensiv mit Wirecard befasst“, und „sind uns einige Erkenntnisse zugewachsen“, auch zum Aufenthaltsort des flüchtigen Wirecard-Chefs Jan Marsalek. Weitere Ausführungen dazu sowie zu dem von den Abgeordneten vermuteten Austausch des BND mit ausländischen Diensten in der Causa Wirecard, Gesuche um Information und/oder Zusammenarbeit in beide Richtungen, wolle er jedoch nur in nicht-öffentlicher Sitzung machen, sagte Kahl.
Dem BND-Chef war es ein Anliegen zu erläutern, warum sein Haus bis zur Insolvenz von Wirecard sich nicht mit dem Fall befasste, nicht befassen musste, ja nicht befassen durfte. Wirecard habe als inländisches, deutsches Unternehmen mit zahlreichen deutschen Staatsbürgern als Beschäftigten gar nicht Gegenstand nachrichtendienstlicher Tätigkeit durch den deutschen Auslandsgeheimdienst werden können. „Die Beobachtung von DAX-Konzernen passt nicht ins Auftragsprofil des BND.“
Der Nachrichtendienst dürfe und müsse aktiv werden beim Verdacht von Geldwäsche durch organisierte, kriminelle Vereinigungen. „Bis jedoch ein deutsches Unternehmen unter diese Kategorie fällt,“ brauche es aber ja zunächst „etliche Hinweise im Inland“, um dem BND Berechtigung zu geben, nachrichtendienstlich tätig zu werden, sagte Kahl.
Es habe somit „in den gesetzlichen Zuständigkeiten und in unserem Auftragsprofil“ gelegen, „dass wir nichts über Wirecard wussten“. Auch sei der BND nicht durch Regierung oder Behörden um Beratung gebeten worden im außenwirtschaftlichen Bereich. Noch seien „aus offenem Aufkommen“ irgendwelche Bitten an den Dienst herangetragen worden, Wirecard in den Blick zu nehmen. Eine Anzeige wegen Geldwäsche habe auch nicht vorgelegen. Und „Finanz- und Bilanzmanipulation fallen nicht in die Zuständigkeit des BND.“
Der Aufenthaltsort, Erkenntnisse des BND dazu, sowie die Frage, ob es Berührungspunkte zwischen Jan Marsalek oder Wirecard-Mitarbeitern und dem BND oder anderen Geheimdiensten gebe, interessierte die Mitglieder des Ausschusses, ebenso wie Erkenntnisse des BND zum Handeln österreichischer Behörden im Fall Wirecard, zur österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft und den Libyen-Aktivitäten Marsaleks sowie zur Frage, ob denn ausländische Dienste nicht Interesse am deutschen Konzern Wirecard mit seiner Informationstechnologie für den Zahlungsverkehr gehabt hätten.
Kahl verneinte diese Fragen oder verschob sie auf den nicht-öffentlichen Teil. Gefragt wurde auch, ob befreundete Nachrichtendienste auf den BND zugekommen seien. „Nur in nicht-öffentlicher Sitzung“ wolle er darauf antworten, so Kahl.
Der Ausschuss fragte auch nach der Rolle des ehemaligen deutschen Geheimdienstkoordinators Bernd Schmidbauer und nach dem vermeintlichen österreichischen Fluchthelfer Marsaleks. Zu gerne würde der Ausschuss den ehemaligen Wirecard-Chef befragen - wenn der BND ihn ausfindig machen könnte.