Nachbesserungsbedarf bei Registerzensuserprobungsgesetz
Berlin: (hib/HAU) Datenschützer sowie Länder- und Kommunalvertreter sehen Nachbesserungsbedarf beim Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Erprobung von Verfahren eines Registerzensus und zur Änderung statistikrechtlicher Vorschriften“ (19/27425). Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagvormittag deutlich. Ziel des Gesetzentwurfes ist laut Bundesregierung die Erprobung von Verfahren für eine registerbasierte Gewinnung der Zensusdaten aus bereits in der Verwaltung vorhandenen Daten „ohne primärstatistische Befragungen“.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, bemängelte unter anderem die fehlende Begrenzung des Erprobungszeitraums. Wenn in der Begründung zu dem Entwurf die Rede davon sei, das die Erprobung für einen „zeitlich begrenzten Übergangszeitraum“ erforderlich ist, genüge dies nicht den Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Normenklarheit, sagte er. Das Ziel, auf Befragungen der Bevölkerung im Zusammenhang mit Zensuserhebungen zu verzichten, sei gleichwohl zu begrüßen, betonte Kelber. Auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken stoße aber die Idee einer Verwendung der einheitlichen Identifikationsnummer beziehungsweise übergangsweise der Steuer-ID als zentrales Zuordnung- und Verknüpfungsmerkmal. Die Gefahr einer Profilbildung zulasten jeden Bürgers werde dadurch konkreter, sagte Kelber.
Die Datenschutzjuristin Kirsten Bock warnte vor dem Entstehen eines Superdatenregisters. Statt die Befugnisse des Statistischen Bundesamtes derart auszuweiten sei es besser, an der dezentralen Struktur der Datenhaltung bei den Ländern festzuhalten. Für Statistiker, so Bock, kämen durch den Gesetzentwurf „Ostern und Weihnachten zusammen“. Aus der Grundrechtsperspektive sehe es hingegen düster aus. Normenklarheit und Schutzmaßnahmen seien in dem Entwurf nicht vorgesehen. Zu kritisieren sei auch die Verwendung von Echt-Daten in der Entwicklungsphase. Es sei völlig ausreichend, mit Test-Daten zu arbeiten, befand Bock.
Für ein Festhalten an der bewährten Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sprach sich auch Marcel Hürter, Präsident des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz, aus. Ein zentraler IT-Betrieb berge höhere Risiken in sich, sagte er. Entwicklung und Betrieb der benötigten technischen Anwendungen und der Infrastruktur für die Entgegennahme der zu übermittelnden Meldedaten sowie der neu zu entwickelnden Fachverfahren für die Vor-Ort-Klärungen entfielen in den originären Zuständigkeitsbereich der statistischen Ämter der Länder, befand Hürter. Sowohl über die Entwicklung als auch den Betrieb der für diese Aufgaben zu entwickelnden und zu betreibenden IT-Fachverfahren sollte aus seiner Sicht in den im Statistischen Verbund eingerichteten und bewährten Fach- und Vergabegremien entschieden werden.
Sebastian Schöne vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag verwies als Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände darauf, dass auch ein registergestützter Zensus für die Kommunen erhebliche Kostenfolgen habe. Diese blieben aber in dem Gesetzentwurf gänzlich unberücksichtigt, kritisierte er. Auch müssten die Kommunen in die geplante Erprobung eingebunden werden. Die Qualität der Ergebnisse und die Akzeptanz für die ermittelten Zahlen könnten so deutlich erhöht werde, sagte der Kommunalvertreter. Gerade mit Blick auf den Bestand der Meldedaten müsse die Expertise vor Ort genutzt werden.
Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, zeigte sich hingegen fest überzeugt davon, „dass Datenschutz und Datensicherheit nur erreicht werden können, wenn der Kernbestand, der abgeglichen werden muss, an einer zentralen Stelle zur Verfügung steht“. Aus seiner Sicht ist der Gesetzentwurf lediglich ein Einstieg in den Registerzensus. Künftig müssten weitere Register geschaffen werden - etwa ein Gebäude- und Wohnungsregister, sagte er. Viele europäische Staaten seien in Sachen Registerzensus, das als Regelverfahren in Europa anerkannt sei, aktuell deutlich weiter als Deutschland, machte Thiel deutlich.
Manuela Lenk, Vizedirektorin beim Bundesamt für Statistik in der Schweiz und vorher mit dem Aufbau eines Registerzensus in Österreich befasst, sagte, es gebe keine Alternative zum Registerzensus. Damit würden Kosten gespart und zugleich unabhängige und objektive Zahlen gesammelt, weil es keine Interessenskonflikte wie etwa bei Befragungen vor Ort gebe. Das Gesetz sei ein guter erster Schritt, „dem noch weitere folgen müssen, damit Deutschland auch zu den Registerzensus-Ländern gehört“.