Kanzlerin erläutert ihr Engagement für Wirecard
Berlin: (hib/FMK) Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besteht auf einer klaren Trennung von persönlichen und fachlichen Kontakten - und ist nach eigener Aussage „achtsam“, wenn das eine in das andere übergeht. Das sagte Merkel im Rahmen ihrer Befragung durch den 3. Untersuchungsausschuss („Wirecard“) am 23. April 2021 unter der Leitung von Kay Gottschalk (AfD). Hintergrund waren Ereignisse im September 2019. Merkel war auf einer Reise nach Peking gegenüber der chinesischen Regierung für einen Markteintritt der Wirecard AG eingetreten. Wenige Tage zuvor hatte der ehemalige Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg für genau diese Art der Unterstützung für das Unternehmen geworben.
Wirecard war nach den Erkenntnissen des Ausschusses eine kriminelle Organisation, die ihre angeblich hohen Gewinne durch Bilanzmanipulation vorgetäuscht hatte. Als das Gespräch mit zu Guttenberg stattfand, war bereits eine Reihe von Presseartikeln erschienen, die zumindest einzelne Aspekte des Betrugs offenlegten. Merkel verteidigt jedoch ihren Einsatz für das deutsche Unternehmen: „Ich wusste über diese Berichte nichts, ich hatte sie nicht verfolgt, weder die positiven noch die negativen.“ Sie habe das Gesamtbild gesehen: Zu ihren Aufgaben gehöre es, die Interessen deutscher Firmen im Ausland zu stützen. Ein Markteintritt Wirecards in China habe den Weg für eine Öffnung des chinesischen Finanzmarktes ebnen können.
Die Opposition sieht dennoch Versäumnisse Merkels und ihrer Mitarbeiter. „Das Kanzleramt und ihre Minister haben Merkel schlecht auf ihren China-Besuch vorbereitet“, schlussfolgert der Abgeordnete Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen). Hier rückte nun die Rolle zu Guttenbergs in den Mittelpunkt. Die unmittelbare Wirkung seines Treffens mit der Kanzlerin zeige, „wie mächtig“ so ein ehemaliger Minister in den Diensten der Wirtschaft sein könne, sagte Jens Zimmermann (SPD). Zu Guttenberg war von 2009 bis 2011 unter Merkel zuerst Wirtschafts- und dann Verteidigungsminister. Heute betreibt er eine Beratungsfirma mit Sitz in New York.
Merkel hatte einer Terminanfrage zu Guttenbergs stattgegeben, weil sie „selbstverständlich Gesprächswünschen ehemaliger Mitglieder der Bundesregierung“ entspreche, wie sie vor dem Ausschuss sagte. Das Gespräch habe 45 Minuten gedauert. An Wirecard als Gesprächsthema erinnerte sich Merkel nach eigener Aussage zwar nicht ausdrücklich. Klar ist aber: Als zu Guttenberg auf Unternehmensanliegen zu sprechen kam, habe sie ihn auf die zuständigen Fachleute im Bundeskanzleramt verwiesen - das lässt sich anhand von Akten belegen.
Nach dem Verweis auf die Fachleute hatte sich zu Guttenberg wie empfohlen mit dem Wirtschaftsberater der Kanzlerin, Lars-Hendrik Röller, in Verbindung gesetzt. Guttenberg vermittelte diesem, dass Wirecard einen Markteintritt in China plane; dafür sei eine Flankierung durch die Regierung wichtig. Röller griff den Hinweis offenbar auf und setzte den Vorgang auf die Liste der deutschen Wünsche gegenüber der chinesischen Regierung.
Der Kanzlerin hält das einerseits für einen Routinevorgang, andererseits ist ihr Ärger über das Verhalten zu Guttenbergs anzumerken. Der Kontakt zum ehemaligen Kollegen sei inzwischen „erstorben“. Der Abgeordnete Hans Michelbach (CSU) bewertete es als „beschämend“, die Bundeskanzlerin für das eigene Geschäft einspannen zu wollen. Den Abgeordneten war erst nach zu Guttenbergs Auftritt vor dem Ausschuss am 17. Dezember bekannt geworden, dass dieser mehrere Millionen Euro hätte verdienen können, wenn Wirecard in China zum Zuge gekommen wäre. Vor dem Ausschuss hatte dieser noch behauptet, sich kostenlos für das Unternehmen eingesetzt zu haben.
Neben der Frage des Lobby-Einflusses war auch das Gesamtbild der deutschen Wirtschaftsaufsicht ein Thema bei der Vernehmung Merkels. Diese sprach von „strukturellen Schwächen der Aufsicht“, die zu prüfen seien. Die Regierung wolle die Strukturen möglichst schnell stärken, die Gesetzgebung dafür sei bereits in Arbeit. „Doch auch das beste System stößt bei massiver krimineller Energie an seine Grenzen“, warnte sie. Sie lobte die Arbeit des 3. Untersuchungsausschusses: „Das hier war einer der Fälle, wo ich sagen würde, dass ein Untersuchungsausschuss vollumfänglich notwendig war.“