Reaktionen im Ministerium
Berlin: (hib/LL) Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen (BMF) und dort zuständig für die Aufgabenbereiche Finanzmarktpolitik und Europapolitik, war zweiter Zeuge in der öffentlichen Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses („Wirecard“) am Mittwoch. Er erläuterte vor allem den Umgang seines Ministeriums mit dem aufkommenden Wirecard-Skandal im Sommer 2020.
Innerhalb kürzester Zeit habe er sich intensiv über den Zustand von Wirecard informiert, Stimmen aus der Wirtschaft gehört, Gespräche mit dem Wirecard kreditgebenden Bankenkonsortium geführt. Dabei konnten sich die Banken auf eine Verlängerung des Konsortialkredits, ein „Stillhalteabkommen“, einigen. Zunächst sei es einfach darum gegangen, Zeit zu gewinnen, um eine ungeordnete Insolvenz zu vermeiden, sich einen Überblick zu verschaffen und die Märkte zu beruhigen, erläuterte Kukies.
Die Privatwirtschaft habe sich in diesen unruhigen Juni-Tagen 2020 intensiv mit Wirecard beschäftigt. Man habe sich gefragt, was für erhaltenswerte Bestandteile Wirecard umfasse. Wie die aktuellen Verkäufe des Insolvenzverwalters zeigten, sei da schon etwas Verwertbares vorhanden gewesen. Als abschreckend auf potenzielle Käufer aber hätten sich schon damals die erheblichen Rechtsrisiken und die nur schwer überschaubare komplexe Konzernstruktur erwiesen.
Er sei im BMF mit der Krisenreaktion befasst gewesen, habe den Fall Wirecard kurz und intensiv geprüft, dann aber „alle Möglichkeiten eines Eingriffs schnell verworfen“ und die „Insolvenz nicht mehr aufgehalten.“ Er habe auch nicht etwa Banken wie die staatliche KfW IPEX gedrängt, Kredite zu verlängern.
Kukies schilderte den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses sein Handeln als Staatssekretär im BMF, seine Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Bundesminister Olaf Scholz (SPD) und den involvierten Behörden.
Der Zeuge rief in Erinnerung, dass der Vorschlag, zu einem einstufigen Bilanzprüfverfahren und zu einer Stärkung der Bundesbehörde BaFin zu kommen, vom BMF ausgegangen sei. Er verteidigte allerdings die Entscheidung der BaFin, sich auch im Fall von Wirecard an das bis heute geltende zweistufige Verfahren gehalten zu haben, als die Behörde die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) um eine Verlangensprüfung ersuchte. Der Gesetzgeber habe 2004 festgelegt, dass auch in Fällen von Finanzmanipulation das zweistufige Bilanzprüfungsverfahren gelten solle.
Die Abgeordneten bewegte die Frage, ob die BaFin nicht das Recht gehabt habe, jederzeit das Verfahren an sich zu ziehen. Es sei doch nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen, dass die BaFin untätig herumsitzen müsse, solange die DPR prüft, sagte Kai Gottschalk (AfD).
Man habe damals keine Anhaltspunkte gehabt, dass die DPR zu langsam prüft. „Wir hatten keine Zweifel, dass das läuft“, erinnerte sich Kukies. Man habe ja zudem die Verlangensprüfung, die sich zunächst nur auf die Vorfälle bei einer Wirecard-Tochter in Singapur bezog, dann massiv ausgeweitet. Im Nachhinein wisse man allerdings mehr darüber, was alles schiefgelaufen sei. „Die DPR war äußerst langsam.“
Auch BaFin-Präsident Hufeld sei das zu langsam gegangen und BaFin-Abteilungspräsidentin Lausch habe sich seit 2014 über die Zusammenarbeit mit der DPR beschwert, so Gottschalk. „Warum haben Sie dann nicht früher das Enforcement-Verfahren auf den Prüfstand gestellt?“
Kritische Hinweise aus der BaFin habe es leider kaum gegeben, außer solche, die sich auf prozedurale Fragen bezogen hätten, entgegnete Kukies. Die kritische Berichterstattung der Fachpresse habe allerdings bereits 2015 vieles schon thematisiert, über das man später diskutiert habe. „Die Indikationen lagen in Rohform schon vor. Aber die waren noch nicht hinreichend konkret.“