Experten fordern höhere Mehrwegquote bei Verpackungen
Berlin: (hib/CHB) Sachverständige haben sich im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit mehrheitlich für eine Ausweitung der Pfandpflicht für Getränkeverpackungen und eine Förderung des Mehrwegsystems ausgesprochen. In einer öffentlichen Anhörung am Mittwoch begrüßten sie mehrheitlich den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen (19/27634). In der von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Anhörung wurde aber auch Kritik an einzelnen Punkten laut.
Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/904 möglichst weitgehend eins zu eins in nationales Recht umzusetzen und dabei das Verpackungsgesetz ökologisch fortzuentwickeln. Dabei soll das Abfallaufkommen insbesondere bei Einwegkunststoffverpackungen im Lebensmittelbereich verringert werden. Zudem sollen die Betreiber elektronischer Marktplätze verstärkt in die Pflicht genommen werden.
Torsten Mertins von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte die Ausweitung der Pfandpflicht auf praktisch alle Kunststoff-Getränkeverpackungen sowie die Pflicht, beim Verkauf von Lebensmitteln und Getränken zum Sofortverzehr Mehrwegalternativen für Einwegkunststoffverpackungen anzubieten. Hingegen bemängelte er das Fehlen einer Regelung, welche die dualen Systeme verpflichtet, sich angemessen an den kommunalen Kosten für die Erfassung von Papier, Pappe und Karton zu beteiligen.
Die Ausweitung der Pfandpflicht auf Verpackungen für Milch und Milchmischgetränke bewertete Benjamin Peter vom Handelsverband Deutschland (HDE) kritisch. Damit seien erhebliche Hygieneprobleme verbunden, erklärte er, da die in den Flaschen enthaltenen Milchreste Fäulnis- und Gärungsprozesse auslösten. Auch sei nicht geregelt, wie mit Getränkeverpackungen umzugehen sei, die zum Stichtag 1. Januar 2022 neu unter die Pfandpflicht fallen, aber noch kein Pfandlogo besitzen. Zudem bedeute die Forderung, Einweg- und Mehrwegverpackungen zum gleichen Preis anzubieten, eine unzumutbare Einschränkung der Preisfestlegung.
Hingegen plädierte Andreas Bruckschen vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) dafür, den Gesetzentwurf unverändert zu verabschieden. Kleinteilige Diskussionen zu Detailaspekten seien nicht zielführend. Zwar habe auch der BDE Verbesserungsvorschläge etwa zur Erweiterung der Pfandpflicht und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft; diese sollten jedoch in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden.
Martin Engelmann von der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen stellte sich zwar hinter den Gesetzentwurf, verband seine Zustimmung aber mit kritischen Hinweisen. So sollte nach seinen Worten die Pflicht, eine Mehrwegalternative anzubieten, nur dann gelten, wenn die Verpackungen auf Bestellung oder vom Kunden selbst befüllt werden, nicht aber beispielsweise bei Sushi, das im Supermarkt verpackt wird.
Holger Thärichen von der Abteilung Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte die Mehrwegförderung ebenfalls. Nicht richtig weiter kämen die Kommunen jedoch beim Umgang mit Papier und Karton. Der Online-Handel profitiere enorm von der Coronakrise und müsse deshalb in angemessener Weise an den Sammelkosten für Kartonverpackungen beteiligt werden.
Das Problem der Serviceverpackungen - also beispielsweise Pommes-Frites-Schalen, Pizzakartons und Kaffeebecher - thematisierte Gunda Rachut von der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister. Bei Serviceverpackungen sei eine umfassende Registrierungspflicht erforderlich.
Die Ausweitung der Pfandpflicht sei aus Verbrauchersicht nachvollziehbar, sagte Sebastian Lange von der Rewe Group. Bei Milch und Milchprodukten seien damit jedoch hygienische Probleme verbunden. Obwohl die Rewe Group sich zum Mehrwegprinzip bekenne, sei eine Pflicht dazu kritisch zu sehen, da Mehrwegverpackungen eine großen logistischen Aufwand und viel Platz erforderten.
Hochwertige Mehrwegsysteme sollten priorisiert werden, forderte hingegen Janine Korduan vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Menge an Verpackungsmüll steige unaufhörlich, weshalb Mehrwegsysteme entscheidend für den Klimaschutz seien. Es brauche einen Stufenplan mit dem Ziel eines europaweiten Mehrwegsystems.
Die Ausweitung der Pfandpflicht sei zu begrüßen, da sie der Vermüllung des öffentlichen Raums entgegentrete, sagte Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Maßnahme reiche aber nicht aus, um eine Trendumkehr zu Mehrwegverpackungen zu erreichen. Fischer sprach sich deshalb für eine Abgabe von mindestens 20 Cent pro Einwegverpackungseinheit aus.