Wasserstoffregelungen umstritten
Berlin: (hib/FLA) Zahlreiche kritische Anmerkungen zu geplanten gesetzlichen Vorgaben rund um den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur haben eine Experten-Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie unter Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) geprägt. Es ging um den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht“ (19/27453) sowie einen Antrag der FDP-Fraktion (19/27819) mit dem Titel: „Für eine koordinierte Energiewende − Wasserstoff ganzheitlich denken“.
Gerd Krieger vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau kritisierte die im Gesetzentwurf vorgesehene Definition von Energiespeicheranlagen. Sie versuche im strikten Gegensatz zur Binnenmarktrichtlinie der EU die Fiktion aufrecht zu erhalten, dass die Einspeicherung Strom verbraucht und die Ausspeicherung Strom neu erzeugt. Damit blieben Speicher Letztverbraucher und müssten im Grundsatz alle Abgaben, Umlagen, Steuern und Netzentgelte für Letztverbraucher entrichten. Davon müssten sie befreit werden.
Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen verwies auf vielfältige Erfahrungen mit unterschiedlichsten Verwendungsformen bei der Erzeugung von Wasserstoff vor Ort. Das Spektrum reiche von Wärme im Gebäudebereich bis zu industriellen Anwendungen. Er setzte sich dafür ein, den Betrieb von Wasserstoffnetzen von Beginn an Regulierungsvorhaben zu unterwerfen. Eine integrierte und europäisch harmonisierte Netzentwicklung und Netzplanung zwischen Strom-, Gas- und Wasserstoffnetzen sei nur bei äquivalenter Regulierung möglich. Dies gebe zudem aus Sicht des Handels mit Wasserstoff verlässliche Sicherheit über die geltenden Rahmenbedingungen und schaffe höhere Anreize für Investitionen in die Infrastruktur.
Stefan Blache (E.DIS Netz GmbH) setzte sich für eine Modernisierung des bestehenden Regulierungsrahmens ein, damit in die Netze der Strom- und Gasversorger investiert werden könne. Denn der konstant hohe Kapitalbedarf der nächsten Jahrzehnte für den Aus- und Umbau der Energieversorgung im In- und Ausland und die absehbare Entwicklung der deutschen Eigenkapitalzinssätze widersprächen sich. Die deutschen Energienetze müssten sich gegenüber höheren Renditeerwartungen in anderen Staaten behaupten. Deutschland liege dabei im Schlussfeld.
Gerald Linke (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) bezeichnete es als Schritt in eine Sackgasse, dass der Gesetzentwurf eine von den Gasinfrastrukturen getrennte Regulierung von Wasserstoffnetzen vorschlägt. Die Eignung der Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff sei grundsätzlich gegeben. Um die bestehenden Erdgasleitungen entsprechend zu ertüchtigen, seien Kosten von rund sieben Milliarden Euro bis 2050 zu erwarten - im Vergleich zu 2,3 Milliarden Euro jährlichen Investitionen in Neubau, Erhalt und Wartung. Die Umrüstkosten seien damit niedrig.
Thomas Engelke (Verbraucherzentrale Bundesverband) verwies darauf, dass bis auf Weiteres die Verfügbarkeit von erneuerbarem Wind- und Solarstrom für die Herstellung von Wasserstoff sehr begrenzt und die Import-Frage unbeantwortet sei. Da Wasserstoff vorerst ein knappes Gut bleibe, werde er für die Anwendung durch private Verbraucher im Wärme- und Gebäudesektor zunächst keine Rolle spielen. Er begrüßte mithin das vorgeschlagene Verbot einer anteiligen Querfinanzierung der Wasserstoffnetze durch die privaten Verbraucher über das Instrument der Netzentgelte für die Erdgasnetze.
Thomas Gößmann (Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas) sah den von der Bundesregierung gewählten Ansatz einer strikten Trennung der Erdgasinfrastruktur und der Wasserstoffinfrastruktur nicht nur unter den finanziellen und regulatorischen Aspekten, sondern auch den netzplanerischen Herausforderungen als problematisch an. Es sei volkswirtschaftlich effizient und technisch möglich, die Wasserstoffinfrastruktur aus dem Erdgasnetz heraus zu entwickeln und bestehende Erdgasleitungen für den ausschließlichen Transport von Wasserstoff umzurüsten. Vorzusehen sei ein Regulierungssystem, das die Finanzierung und die Netzplanung als Einheit von Wasserstoffnetz und Gasnetz in enger Abstimmung mit dem Stromnetz betrachte.
Robert Busch (Bundesverband Neue Energiewirtschaft) meinte, Wasserstoff sei viel zu schade, um als Beimischung in Gasnetzen verbrannt zu werden. Er sei auf absehbare Zeit ein wirklich knappes und teures Gut: „Das irgendwo reinzukippen, ist nicht die Energiewende, die wir uns wünschen.“ Wasserstoff sehe er nicht flächendeckend in den Häusern eingesetzt, sondern habe Bedeutung für die Industrie und als Rohstoff. Er sei nicht dafür da, Gasnetzen ein zweites Leben zu verschaffen. Sobald das Wasserstoffnetz mehr als ein Inselnetz für ein paar Industriekunden sei, müsse es reguliert werden. Nach dem Anschluss an ein reines Wasserstoffnetz könnten die Nutzer die Versorgungsart nur noch mit hohen Umrüstkosten wechseln. Regulierter Netzzugang sei daher Investitionsschutz für Erzeuger und Kunden.
Carolin Dähling (Greenpeace Energy) beschrieb die Analyse von Angebot und Nachfrage als wichtige Grundlage der Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit von Wasserstoffinfrastrukturen. Sie sehe es bezüglich der Nachfrage eher kritisch, dass Wasserstoff in großen Mengen flächendeckend im Wärmesektor eingesetzt werde. Und das Angebot an grünem Wasserstoff stehe in engem Zusammenhang mit den Anstrengungen der Bundesregierung, den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. Der Markthochlauf von Wasserstoff sei kein Selbstzweck, sondern vor allem für das Erreichen der Klimaziele und dabei für die Dekarbonisierung sämtlicher Sektoren zwingend notwendig.
Detlef Raphael vom Deutschen Städtetag meinte, der Gesetzentwurf biete keine langfristige und verlässliche energiepolitische Weichenstellung. Gas-, Wasserstoff- und Strominfrastrukturen müssten stärker in einer gemeinsamen Netzentwicklungsplanung zusammen gedacht und geplant werden. Das Zusammenspiel der Infrastrukturen nehme durch die Sektorenkopplung noch zu und müsse sich in der Netzentwicklung niederschlagen. Daher solle der Rechtsrahmen technologieoffen ausgestaltet werden, um die sich aus der weiteren technischen Entwicklung ergebenden Potenziale nutzen zu können.