Massive Kritik an geplantem Fondsstandortgesetz
Berlin: (hib/PST) Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/27631) für ein Fondsstandortgesetz ist in einer Anhörung im Finanzausschuss auf teils massive Kritik gestoßen. Mit der Neuregelung soll, neben der Anpassung an europarechtliche Vorgaben, die Emission von Fonds in Deutschland attraktiver und die Versorgung von Startups mit Wagniskapital besser werden. Dazu sollen steuerliche und aufsichtsrechtliche Maßnahmen gebündelt werden.
Änderungen des Kapitalanlagegesetzbuchs ermöglichten dem Entwurf zufolge weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung der Aufsicht. So werden zahlreiche Schriftformerfordernisse abgeschafft, wodurch Anlegern Kosten erspart würden. Die Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltungsleistung von Investmentfonds wird auf die Verwaltung von Wagniskapitalfonds ausgedehnt.
Mitarbeiterkapitalbeteiligungen in Startups sollen attraktiver werden; dafür soll mit Wirkung zum 1. Juli 2021 der steuerfreie Höchstbetrag für Vermögensbeteiligungen von 360 Euro auf 720 Euro pro Jahr angehoben werden. Für Arbeitnehmer von Startups soll in das Einkommensteuergesetz eine Regelung aufgenommen werden, nach der die Einkünfte aus der Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers zunächst nicht besteuert werden. Erst bei einem Verkauf der Anteile, einem Ausscheiden aus dem Unternehmen oder ansonsten nach zehn Jahren soll die Einkommensteuer auf den Wert der Beteiligung fällig werden.
Insbesondere dieser Teil wurde in der Anhörung sehr kontrovers bewertet. Die Mitarbeiterbeteiligung als Möglichkeit zur Teilhabe an künftigen Gewinnen sei für Startups wesentlich, um gute Mitarbeiter zu gewinnen, betonte Christian Miele vom Bundesverband Deutsche Startup. In der vorliegenden Form werde das Gesetz aber wirkungslos bleiben. Das eine Problem sei, dass die Steuervergünstigung nur für direkte Unternehmensbeteiligungen gelten soll. Startups seien fast immer GmbHs, und direkte Beteiligung würde bedeuten, dass man bei jeder Veränderung in der Belegschaft zum Notar gehen und die Gesellschafterstruktur ändern müsste. Dies sei ein Aufwand, den kein Startup betreiben würde. Aber auch, dass Mitarbeiter die zunächst gestundete Einkommensteuer auf die Beteiligung nach Ausscheiden aus dem Betrieb oder spätestens nach zehn Jahren zahlen müssten, mache die Regelung unattraktiv. So müssten Mitarbeiter befürchten, bei einem Scheitern des Startups neben dem Arbeitsplatzverlust auch noch mit einer hohen Steuerzahlung konfrontiert zu sein.
Zur gleichen Bewertung kam der selbstständige Startup-Berater Nikolas Samios. Er sieht die Neuregelung in entscheidenden Punkte so praxisfern, dass Startups sie gar nicht anwenden könnten. Damit werde das Ziel der Reform fast vollständig verfehlt. Einer der Gründe ist seiner Darstellung nach, dass Startups oft schon einen sehr hohen Marktwert haben, der aber auf Zukunftserwartungen beruht. Ein Mitarbeiter, der das Unternehmen verlässt, müsste nach dem Gesetzentwurf seinen Geschäftsanteil nach diesem fiktiven Wert versteuern, selbst wenn dieser zu dem Zeitpunkt gar nicht eingelöst werden kann. Niemand würde sich auf ein solches Risiko einlassen, argumentierte Samios.
Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) beurteilte aus denselben Gründen den Nutzen der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen für den Fondsstandort Deutschland für „überschaubar“. Zwar sei in dem Entwurf „vieles richtig“, konstatierte Thomas Richter vom BVI und verwies unter anderem auf die neu vorgesehene Möglichkeit der elektronischen Kommunikation mit der Bundesagentur für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Verbesserungen seien aber punktuell und grundlegende Probleme des Standorts blieben bestehen.
Aus einem völlig anderen Blickwinkel kritisierte Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft den Gesetzentwurf. Er konstatierte gleich eine Reihe unzulässiger Eingriffe in die Steuersystematik. So sieht er in den Regelungen zur Besteuerung der Mitarbeiterbeteiligung einen Systembruch und einen Verstoß gegen das einkommensteuerrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip, da sie nur für bestimmte Formen der Kapitalbeteiligungen und bestimmte Unternehmen, nämlich Startups, gelten sollen. Auch im Vergleich zur Besteuerung von Sachbezügen sieht Eigenthaler den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt. Das Hinausschieben der Besteuerung um bis zu zehn Jahre ist aus Sicht der Steuer-Gewerkschaft zudem mit einem erheblichen administrativen Aufwand für Finanzämter, Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbunden. Eigenthaler kritisierte zudem, dass Verwaltungskosten von Wagniskapitalfonds umsatzsteuerfrei werden sollen. Abgesehen davon, dass die Definition von Wagniskapitalfonds unklar sei, bestehe die Gefahr von Fehlanreizen und Fehlallokationen.
Ein Spannungsverhältnis zur Besteuerungsgleichheit, wenn ein bestimmter Einkommensteil nicht oder später besteuert wird, konstatierte auch Roland Ismer, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg. Andererseits diene die Regelung zur Mitarbeiterbeteiligung einem „durchaus legitimen Förderungszweck“. Auch Ismer problematisierte zudem die geplante Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltungskosten von Wagniskapitalfonds. Zum einen sah er als EU-rechtlich bedenklich an, dass diese nur für Wagniskapital gelten soll. Zudem werde durch Abgrenzungsschwierigkeiten „Rechtsunsicherheit geschaffen“. Das Ziel sei vernünftig, stellte Ismer fest, der Weg dahin aber zweifelhaft.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund nannte es Rainald Thannisch grundsätzlich positiv, wenn Mitarbeiter über eine Kapitalbeteiligung an den Gewinnen und an Unternehmensentscheidungen beteiligt werden. Andererseits könnten Arbeitnehmer dann im Fall der Insolvenz auch Vermögen verlieren. Deshalb begrüßte Thannisch einerseits, dass steuerliche Vergünstigungen auf direkte Beteiligungen mit entsprechenden Mitspracherechten der Arbeitnehmer begrenzt werden sollen, warnte aber andererseits davor, durch zu hohe steuerliche Förderung einen Anreiz zu riskanten Anlagen zu geben. Thannisch verwies auch darauf, dass viele Arbeitnehmer keine Möglichkeit einer Kapitalbeteiligung haben. Für diese sollte es daher einen gleich hohen Steuerfreibetrag für Sachbezüge geben.
Peter Möllmann von der PXR Legal Rechtsanwaltsgesellschaft plädierte dagegen dafür, auch andere Optionen als die direkte Unternehmensbeteiligung zu fördern. So müsse es ermöglicht werden, sich über eine vermögensverwaltende Beteiligungs-KG an einer GmbH zu beteiligen. Dann erübrige sich auch der Gang zum Notar bei jeder Personalveränderung. Möllmann schlug außerdem eine Lösung vor, wie auf die Befristung der aufgeschobenen Steuerfälligkeit verzichtet werden kann. Man müsse dafür nur eine Unternehmenshaftung für die Steuerzahlung einrichten, die so lange gelte, bis ein Anteil verkauft und damit für den betroffenen Mitarbeiter zu echtem Geld wird.
Stefan Loipfinger von der Bürgerbewegung Finanzwende vertrat die Ansicht, dass es „mit diesem Gesetz nicht gelingen wird, den Standort Deutschland auch nur im Ansatz zu stärken“. Im Wettbewerb etwa mit Luxemburg bringe es nichts, „steuerliche Zuckerl zu verteilen“. Deutschland habe keine Chance, eine solche Steueroase zu übertreffen. Der viel bessere Ansatz sei in seinen Augen, den Fondsstandort dadurch zu stärken, dass man den „Produktstandort made in Germany“ stärkt. Der Fondsstandort Deutschland müsse ein Qualitätskriterium sein, an dem sich Anleger orientieren.
Auf die gewerbesteuerlichen Aspekte des Gesetzentwurfs konzentrierte sich Uwe Zimmermann von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Dabei geht es etwa um die Besteuerung von Photovoltaik-Anlagen in Gemeinden, die über Wagniskapitalfonds finanziert werden. Zimmermann kam zu dem Ergebnis, dass den Anliegen der Städte und Gemeinden mit zwischenzeitlich vorgelegten Änderungsanträgen der Fraktionen CDU/CSU und SPD weitgehend Rechnung getragen werde.