Grüne fragen nach möglichen Komplizen Anis Amris
Berlin: (hib/WID) Nach dem formellen Ende der Beweisaufnahme durch den 1. Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz sehen die Grünen noch immer „zahlreiche Ungereimtheiten“, über die sie von der Bundesregierung Aufschluss begehren. In einer Kleinen Anfrage (19/28203) erkundigt sich die Fraktion nach möglichen Komplizen des Tunesiers Anis Amri, der, wie die Fragesteller formulieren, „aus Sicht der Bundessicherheitsbehörden“ und nach „bisherigem Kenntnisstand“ der Haupttäter war. Doch sei die Spurenlage „teilweise dünn“ oder „unzureichend ausgewertet“. Der Ausschuss habe vieles aufklären, wegen der Kürze der Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode seine Ermittlungen aber leider nicht fortführen können.
Im Einzelnen fragen die Grünen nach Kamel A., in dessen Wohnung in der Freienwalder Straße Amri seine letzte Bleibe in Berlin hatte, sowie nach dessen Mitbewohner Khaled A. Von beiden seien nach dem Anschlag am 19. Dezember 2016 DNA-Profile genommen, aber aus rechtlichen Gründen nicht gespeichert worden. Die Fragesteller möchten wissen, mit welchen im Zusammenhang mit dem Anschlag sichergestellten Spuren dieses Material zu welchem Zeitpunkt abgeglichen wurde, und was dabei herauskam. Ebenso interessieren sie sich dafür, ob die Bundesregierung bestätigen kann, dass Khaled A. zugegen war, als sich Amri am Vorabend des Anschlags mit seinem Vertrauten Bilel ben Ammar in einer Berliner Hähnchenbraterei traf.
Gegen Ben Ammar wurde später ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Mittäterschaft eröffnet. Die Bundesregierung soll Auskunft darüber geben, warum dies bei Khaled A. unterblieb, und warum dieser nicht einmal dazu befragt wurde. Ferner soll sie sich dazu äußern, ob Khaled A. ebenso wie Ben Ammar im Februar 2017 in aller Eile nach Tunesien abgeschoben wurde, was der Grund dafür war, und ob sein derzeitiger Aufenthaltsort bekannt ist.
Weitere Fragen betreffen Walid S. und Bilal M., die Amri wenige Stunden vor dem Anschlag auf dem Parkplatz eines Berliner Einkaufszentrums getroffen hat. S. wurde zudem am Abend am Tatort angetroffen. Nach Auskunft des Bundeskriminalamts lägen von beiden keines DNA-Profile vor. Die Fragesteller möchten wissen, ob dies nach Kenntnis der Bundesregierung zutrifft sowie, falls ja, warum keine Proben genommen wurden, und ob solche mittlerweile vorliegen. Der Vorgang sei umso verwunderlicher, als M. im Januar 2017 in der Türkei bei dem Versuch aufgegriffen wurde, ins IS-Gebiet auszureisen, und gegen S. seit dem Anschlag mehrere Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Terrorismus anhängig waren.
Die Fragesteller nennen neun Gemeindemitglieder der Moabiter Fussilet-Moschee, wo Amri ein und ausging, und fragen nach Erkenntnissen, ob die betreffenden Personen als Mittäter, Mitwisser, Helfer oder Unterstützer in Frage kommen. Unter anderem geht es um den Imam der Moschee. Emrah C., einen gewissen Rahman W., der am Abend des Anschlags ebenfalls am Tatort gesichtet worden sein soll, sowie Jarrah B. Er soll der letzte gewesen sein, dem Amri eine gute Stunde vor dem Attentat noch in der Fussilet-Moschee begegnete. Die Bundesregierung soll auch erklären, ob sie ausschließen könne, dass Bundesbehörden in der Nähe der Fussilet-Moschee Wohnungen oder andere Räumlichkeiten nutzten.
Die Fragesteller weisen darauf hin, dass sich nach dem Anschlag 13 Zeuginnen und Zeugen gemeldet haben, die während des Tatgeschehens im Umfeld des Breitscheidplatzes Schüsse gehört haben wollen. Die Bundesregierung soll sich dazu äußern, ob diesen Hinweisen nachgegangen wurde, und wenn nein, warum nicht. Aufschluss begehren die Fragesteller auch über einen Vermerk des Bundeskriminalamts, dem zufolge sich bis kurz vor der Tat außer Amri „eventuell“ eine weitere Person in dem Lastwagen befunden haben soll, mit dem Amri zum Breitscheidplatz unterwegs war. Diese sei aber vor der Tatausführung ausgestiegen. Die Fragesteller wollen wissen, was die Ermittlungsbehörden unternommen haben, um diesem Hinweis nachzugehen.
Schließlich interessieren sie sich für zwei Mobilfunknummern, die am Tatabend im Umfeld des Breitscheidplatzes festgestellt wurden. Die eine habe „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zu einem Satellitentelefon gehört, das unter anderem von Geheimdiensten gerne genutzt wird, die andere habe eine russische Vorwahl aufgewiesen. Die Satelliten-Telefonnummer konnte nie identifiziert werden, die andere Nummer war nach Einschätzung der Ermittler irrelevant. Die Fragesteller finden das insofern erstaunlich, als viele Besucher der Fussilet-Moschee einen „russischstämmigen“ Hintergrund hatten.