„Falsches Gütesiegel“ der BaFin für Wirecard
Berlin: (hib/LL) Kopfschütteln und Unverständnis lösten am Donnerstagnachmittag, 25. März 2021, im 3. Untersuchungsausschuss („Wirecard“) die Ausführungen der Zeugin Regina Schierhorn aus, Referatsleiterin für Marktmanipulationsverfolgung bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Trotz beharrlicher Nachfragen waren der Zeugin keine klaren Verantwortlichkeiten im Workflow der Behörde zu entlocken, die zu der Entscheidung eines Leerverkaufsverbots für Wirecard-Papiere im Frühjahr 2019 führten.
Das Gremium wollte von der BaFin-Mitarbeiterin wissen, wer die Verantwortung für das Leerverkaufsverbot für Wirecard-Papiere im Februar 2019 trägt. Das sei nicht ihr Zuständigkeitsbereich, in den Besprechungen, bei denen sie dabei gewesen sei, sei es nicht darum gegangen und sie wisse einfach nicht, wer es wann entschieden habe, so Schierhorn. Hans Michelbach (CSU) fragte, wer sich in ihrem Haus wie zu der Frage positioniert hat. „Ich weiß es nicht“, so Schierhorn. Von der früheren Befragung eines Mitarbeiters von Schierhorn wisse man, dass er sich dagegen ausgesprochen habe, so Michelbach. „Es muss doch irgendjemand für das Leerverkaufsverbot gewesen sein.“
Dieses sei ja schließlich erlassen worden. Damit habe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der Wirecard AG, quasi auf Zuruf der Staatsanwaltschaft München, ohne eigene Nachforschung, „ein falsches Gütesiegel ausgestellt“, so der Abgeordnete.
Während die Arbeitsabläufe innerhalb der BaFin nach den Schilderungen der Zeugin nebulös blieben, komplettierte sich in den Fragerunden das Bild über die Kommunikation zwischen der BaFin und der Staatsanwaltschaft München. Dabei erhärtete sich der Eindruck, die BaFin sei in einer bisher nicht dagewesenen Weise dazu gedrängt worden, von dem Instrument des Leerverkaufsverbots Gebrauch zu machen. Ein Anruf seitens der Staatsanwaltschaft München im Februar 2019 war laut Aussage der Zeugin ein wesentlicher Grund für die Entscheidung zum Leerverkaufsverbot.
Die von der Staatsanwaltschaft übermittelten Informationen und der Anruf an sich seien ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, der den „Eindruck erweckt“ habe, „dass es drängt.“ Man habe gespürt, dass von ihrem Haus erwartet worden sei zu handeln, so BaFin-Mitarbeiterin. Wer aber habe denn dann bei der BaFin die Initiative ergriffen, wer habe auf das Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien hingearbeitet, wollten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses wissen.
„Wer war dafür, wer dagegen? War Frau Roegele dafür?“ - Elisabeth Roegele, die Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht der BaFin, fragte Matthias Hauer (CDU). „Es sollte daran gearbeitet werden. Und wenn die Voraussetzungen gegeben sein würden, sollte es erlassen werden“, antwortete Schierhorn. Jedoch: „Am Ende war wohl auch entscheidend, wie sich die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) dazu verhalten würde.“ - Staatsanwälte, die der BaFin zum Einsatz eines ihrer Instrumente raten, die europäische ESMA, unklare interne Entscheidungsstrukturen: Für Michelbach klang das alles nach „Verschiebebahnhof“.
„Man gewinnt den Eindruck als hätten alle bei der BaFin das Leerverkaufsverbot gewollt, aber keiner habe es erlassen wollen“, fasste der Ausschussvorsitzende Kay Gottschalk (AfD) zusammen. Der Untersuchungsausschuss wolle aufklären und dazu die Organisationsstruktur, die Entscheidungswege bei der BaFin im Untersuchungszeitraum verstehen. „Was passiert bei Ihnen, wenn mehrere Fachreferate die rote Kelle raushalten und von einem Leerverkaufsverbot abraten?“ Sie gehe davon aus, dass ein solches Votum bei der Abteilungsleitung Berücksichtigung finden würde, entgegnete Schierhorn.
Die Abgeordneten informierten sich bei Zeugin außerdem ausführlich über die Wahrnehmung der kritischen Berichterstattung über Wirecard in der „Financial Times“ und im sogenannten Zatarra-Report, die zeitlichen und formalen Abläufe, die normalerweise und in dem speziellen Fall zu der Untersuchung einer Marktmanipulation führen, sowie über die Auslegung des Finanzbegriffs des „short selling“ in der BaFin.