Investitionsoffensive zur Sanierung kommunaler Sportstätten
Berlin: (hib/HAU) Über die Förderung von Sportstätten in den Kommunen haben Expertinnen und Experten während einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag diskutiert. Dabei bezifferte Andreas Silbersack, Vizepräsident Breitensport/Sportentwicklung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf für Sportstätten in Deutschland auf mindestens 31 Milliarden Euro. Andrea Milz (CDU), Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt des Landes Nordrhein-Westfalen, forderte weitere finanzielle Anstrengungen im Rahmen von Förderprogrammen des Bundes und der Länder, um den Sanierungs- und Modernisierungsstau abzubauen. Vor der Gefahr eines „Schweinezyklus“ warnte indes der Sozialwissenschaftler Lutz Thieme von der Hochschule Koblenz.
Die mit „Goldenen Plänen“ in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren erbauten Sportstätten, so Thieme, seien nicht so gepflegt worden, wie es nötig gewesen wäre. Jetzt steige der politische Druck für den Bund, sich an der Sanierung zu beteiligen. Will aber der Bund nicht in zyklischen Abständen nennenswerte Beträge für die kommunale Sportinfrastruktur aufbringen, müssten aus seiner Sicht die strukturellen Barrieren beseitigt werden, die verhinderten, dass Kommunen und Länder in ausreichendem Maße in die Sportinfrastruktur investieren können „und auch in der Lage sind, die im gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks zur Betreibung notwendigen Betriebs- und Sanierungskosten aufzubringen“.
Der DOSB würde es gleichwohl sehr begrüßen, wenn die Förderprogramme des Bundes ausgebaut und fortgeführt sowie für die Förderung vereinseigener Sportstätten geöffnet würden, sagte DOSB-Vertreter Silbersack. Zwar gebe es vereinzelt sportfreundliche Sonderprogramme in den Ländern. Diese reichten aber nicht aus. Der Sport könne aber nur dann der „Kitt im Haus der Gesellschaft“ bleiben, „wenn es uns gelingt die Sportstätten so attraktiv zu gestalten, damit wir mit den Vereinen konkurrenzfähig sind“.
Aus Sicht von Robin Kähler, Vorstandsvorsitzender von IAKS Deutschland (Internationale Vereinigung für Sport- und Freizeiteinrichtungen), reichen die „engen Förderinstrumente des Sports“, die letztlich auf normgerechte Sportstätten ausgerichtet seien, nicht mehr aus. Ziel müsse die Verbesserung der Ausstattung mit Sportstätten und Bewegungsräumen in segregierten und unterversorgten Wohnquartieren sowie die Qualifizierung des Wohnumfeldes mit öffentlich zugänglichen, niederschwelligen Sportstätten und Bewegungsmöglichkeiten mit Aufenthaltsqualität für alle Bevölkerungsgruppen sein, sagte Kähler.
Helmut Holter (Die Linke), Sportminister in Thüringen, sprach sich für die Auflage eines digitalen Sportstätten-Atlasses aus, um überhaupt eine vernünftige Datengrundlage zu haben. Entscheidend sei aber eine Investitionsoffensive für den Sport, „damit die Sportstätten richtig auf Vordermann gebracht werden“. Die Länder alleine könnten dies nicht schaffen. „Der Bund muss hier in die Vorhand kommen und richtig investieren“, forderte der Landesminister und plädierte für eine „90 Prozent Bund- und 10 Prozent Länder-Quote“. Ein Zehn-Milliarden Programm über Jahre gestreckt, mit dem entsprechend der Bedarfe vorgegangen werde, könne dem Sport richtig helfen, befand Holter.
Gegen einen hohen Anteil an Fördermitteln des Bundes hat auch seine Kollegin aus der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Andrea Milz, nichts einzuwenden. „Was auch immer der Bund erübrigen kann: Wir nehmen alles“, sagte sie. Milz verwies aber auch auf eigene Förderprogramme. 300 Millionen Euro seien in Nordrhein-Westfalen an die Vereine geflossen, damit diese ihre Anlagen modernisieren und instand setzen könnten. Neubauten seien bei der Förderung ausdrücklich ausgeschlossen worden, „damit etwas am Bestand passiert“. Es habe sich gezeigt, dass die Vereine vor Ort „ideologiefrei“ am besten wüssten, wo die Gelder eingesetzt werden sollten, sagte Milz.
Lars-Detlef Kluger, Präsident des Stadtsportbundes Dresden, verwies darauf, das seiner Erfahrung nach die Begrenzung auf energetische Maßnahmen oder ähnliche thematische Schwerpunktsetzungen von Förderprogrammen des Bundes, aber auch der Länder, sich negativ auf die Projektwahl auswirkt, wenn die finanziellen Aufwendungen real berechnet und eingepreist werden müssen. Häufig stiegen dadurch die Eigenanteile der Vereine stark an, was dazu führe, dass weniger Vereine solche Sanierungen anstreben. Wäre die Anerkennung von Eigenleistungen möglich, so Kluger, würde an dieser Stelle Offenheit bestehen.
Altersgerecht und barrierefrei müssten insbesondere die Sportanlagen für den Gesundheits- und Reha-Sport ausgestaltet werden, sagte Thomas Härtel, Präsident des Landesportbundes Berlin. Härtel nahm auch die Länder in die Pflicht. Um den angesprochenen Schweinezyklus zu vermeiden, müssten die Kosten für die regelmäßige bauliche Unterhaltung der Sportstätten in den Länderhaushalten berücksichtigt werden.
Achim Haag, Präsident der DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft), rief dazu auf, sich von der Idee zu verabschieden, „dass jeder ein Schwimmbad haben muss“. Die interkommunale Zusammenarbeit sei das Gebot der Stunde, befand Haag. Geteilte Kosten für ein geteiltes Schwimmbad bedeuteten schließlich geringere Kosten für die einzelne Kommune.
Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund verwies auf die sehr unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen. Daher seien diese auf Programme der Länder und des Bundes angewiesen. Da die Beantragung von Geldern aus diesen Programmen alles andere als trivial sei und auch teils auch nicht auf das passe, was vor Ort tatsächlich benötigt werde, sei ein „Budget Sport“ für die Kommunen attraktiver, sagte Lübking.