Pro und contra zu Regelungen zum Einsatz von V-Leuten
Berlin: (hib/MWO) Fraktionsanträge zum Einsatz von sogenannten Vertrauenspersonen (VP) und dem Umgang mit Tatprovokationen waren Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch. In der Sitzung unter Leitung des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) begrüßten Anwälte und Rechtswissenschaftler die Vorlagen von FDP und Linksfraktion, skeptisch äußerten sich dagegen Vertreter der Justiz. Der Antrag der FDP-Fraktion trägt den Titel „Einsatz von Vertrauenspersonen konsequent gesetzlich regeln“ (19/25248). Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/25352), rechtsstaatswidrige Tatprovokationen einzudämmen und Betroffene zu entschädigen.
Stefan Conen vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass schon seit längerem eine gesetzliche Grundlage für das Tätigwerden von sogenannten V-Personen gefordert werde. Die einschlägigen Paragrafen der Strafprozessordnung erwiesen sich bei näherer Betrachtung als „untaugliche Krücken“ und genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es sei mehr als überfällig, dass der Gesetzgeber sich der Thematik einer gesetzlichen Regelung des strafprozessualen Einsatzes von V-Leuten annimmt und diese unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, kodifiziert.
Auch für den Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas, Lehrbeauftragter der Universität zu Köln, ist die gegenwärtige Rechtslage verfassungswidrig. Die Notwendigkeit, eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V- Personen im Strafverfahren zu schaffen und deren Rechtsrahmen zu regeln, sei augenfällig. Spätestens der Fall „Murat Cem“ („VP01“) habe eindrücklich gezeigt, wozu eine fehlende gesetzliche Regelung führen kann. Eine Regelung würde zu größerer Rechtssicherheit führen und mit keinen Nachteilen einhergehen. Sie dürfte letztlich auch die Akzeptanz für den Einsatz von Vertrauenspersonen erhöhen. Gazeas sprach sich auch für ein gesetzlich geregeltes Verbot der Tatprovokation aus.
Matthias Jahn, Strafrechtler an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, erklärte, die gegenwärtige Praxis der Tatprovokation im deutschen Strafverfahren werde den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Regelung wesentlicher Grundrechtseingriffe auf dem Gebiet des Strafprozessrechts nicht gerecht. Der Gesetzgeber müsse deshalb unverzüglich zu Beginn der nächsten Wahlperiode des Deutschen Bundestags tätig werden und ein Gesetz zur Regelung der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen der Tatprovokation verabschieden.
Aus der Sicht des Strafrechtlers Martin Heger von der Humboldt-Universität zu Berlin betreffen die beiden Anträge bislang nicht abschließend geklärte Fragen des deutschen Strafverfahrensrechts. Angesichts der in dieser Legislatur noch zur Verfügung stehenden Zeit und dem Fehlen konkreter Gesetzesvorschläge erscheine ihm die von den Antragstellern anvisierte sofortige Gesetzgebung jedoch nicht zielführend. Sinnvoller sei, die mit Recht genannten Aspekte zu Beginn der nächsten Legislaturperiode einer eingehenden wissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskussion zuzuführen. Aus seiner Sicht müsse man in Deutschland vor allem gegenüber familiär strukturierten Verbrechensstrukturen weiterhin im heutigen Umfang auch auf den Einsatz und die Anwerbung von V-Personen zurückgreifen können.
Barbara Stockinger vom Deutscher Richterbund verwies in ihrer schriftlichen Stellungnahme darauf, dass sich die Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes für die bereichsspezifische gesetzliche Regelung des Einsatzes von Vertrauenspersonen und Informanten ausgesprochen habe. Nach Auffassung der Kommission würde der Gesetzgeber durch eine gesetzliche Regelung auch ein Zeichen setzen, dass und unter welchen Voraussetzungen er den Einsatz von Vertrauenspersonen im Strafverfahren billigt und für einen Eingriff in die Grundrechte Betroffener auch die Verantwortung übernimmt. Für eine Einschränkung des Einsatzes von Vertrauenspersonen habe die Kommission keinen Anlass gesehen.
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, betonte, dass viele der angesprochenen Aspekte untergesetzlich geregelt seien und dass darüber hinaus in den letzten Jahren ein sehr professionalisiertes Management der VP-Thematik sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene gewährleistet werde. Für die Ermittlungen in abgeschotteten Strukturen hätten den Behörden nur wenige Möglichkeiten. Ein Eindringen in diese Strukturen müsse rechtsstaatlich so abgesichert wie möglich erfolgen, gleichzeitig müssten Leib und Leben der Vertrauenspersonen geschützt werden. Er sei nicht per se gegen gesetzliche Regelungen, so Fiedler, man müsse jedoch aufpassen, nicht das gesamte Ermittlungsinstrument komplett zu verlieren. Viele der in der Diskussion befindlichen Punkte schienen in der praktischen Konsequenz eine solche Auswirkung haben zu können.
Jürgen Gremmelmaier, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, vertrat die Meinung, dass eine Änderung der Strafprozessordnung zur Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Tatprovokation, wie von der Linksfraktion gefordert, nicht erforderlich ist. Jedoch könne tatprovozierendes Verhalten nur innerhalb der durch das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen hingenommen werden. Eine Auslegung der europäischen Menschrechtskonvention, die zu einem generellen Beweisverwertungsverbot führt, sei mit dem deutschen Strafrechtssystem nicht in Einklang zu bringen und daher abzulehnen. Auch eine spezialgesetzliche Regelung für den Einsatz von Vertrauenspersonen in der Strafprozessordnung, wie von der FDP gefordert, sei nicht erforderlich. Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth von der Staatsanwaltschaft Stuttgart lehnte die beiden Anträge ebenfalls ab.