Expertenstreit über Verschärfung des Soldatengesetzes
Berlin: (hib/AW) Die geplante Verschärfung des Soldatengesetzes und der Wehrdisziplinarordnung der Bundeswehr stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo. Einerseits seien die angestrebten Änderungen, mit denen Zeitsoldaten in den ersten vier beziehungsweise acht Jahren ihrer Dienstzeit bei Dienstvergehen ohne langwieriges gerichtliches Disziplinarverfahren zeitnah entlassen werden können, verfassungskonform, stellten die Sachverständigen übereinstimmend fest. Allerdings seien die Verschärfungen überzogen und auch nicht zielführend, monierten die Vertreter des Deutschen Bundeswehrverbandes und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Diese beiden Grundpositionen zeigten sich in einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses über den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (19/22862) am Mittwoch. Unstrittig hingegen waren die angestrebten gesetzlichen Regelungen zur kostenlosen Beförderung von Soldaten in Uniform durch öffentliche Eisenbahnen, die ebenfalls mit der Gesetzesänderung verabschiedet werden sollen.
Übereinstimmend stellten die Rechtswissenschaftler Philipp-Sebastian Metzger von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und der frühere Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz fest, dass der vorgelegte Gesetzentwurf mit dem Grundgesetz in Einklang stehe. Metzger und Wiefelspütz wiesen darauf hin, dass Soldaten der Bundeswehr nicht unter den Anwendungsbereich von Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes fielen, sodass deren Dienstrecht nicht die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums berücksichtigen müsse, sich aber gleichzeitig auch nicht zu weit vom Beamtenrecht entfernen dürfe. Das Bundesverfassungsgericht habe allerdings im Januar 2020 entschieden, dass es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums gebe, wonach eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur durch Richterspruch erfolgen dürfe. Für das Wehrdienstverhältnis von Soldaten bedeute dies umgekehrt, dass sowohl Entlassungen als auch jede andere Disziplinarmaßnahme per Verwaltungsakt verfassungsrechtlich unbedenklich sei.
Die Rechtsanwälte Christian Sieh, Justitiar beim Deutschen Bundeswehrverband, und Christopher Hilgert, Vertragsanwalt des Bundeswehrverbandes, sowie Nils Kammradt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, räumten zwar ein, dass die Gesetzesvorlage nicht gegen das Grundgesetz verstoße, allerdings gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. „Nicht alles, was legal ist, ist eben auch legitim“, sagte Sieh.
Er verwies darauf, dass die Ursache für die geplante Gesetzesverschärfung in rechtsextremistischen Vorkommnissen in der Truppe liege, die man bekämpfen wolle. Es sei aber zu bedenken, dass bereits ein „falsches Autokennzeichen“ oder das Hören von Rechtsrock ausreiche, um in Verdacht zu geraten. Von den jährlich gemeldeten Verdachtsfällen in den Bereichen Rechtsextremismus oder Reichsbürger würden sich allerdings nur rund 20 Prozent bestätigen. Von diesen wiederum entfielen nur rund 20 Prozent auf Zeitsoldaten mit einer Dienstzeit zwischen fünf und acht Jahren. In den allermeisten Fällen seien eben nicht junge Zeitsoldaten betroffen. Insofern sei es unverständlich, dass nun ausgerechnet für diese Gruppe unter den Soldaten die Gesetzeslage und die Wehrdisziplinarordnung verschärft werden solle.
Sieh, Hilgert und Kammradt verwiesen zudem darauf, dass derzeit eine Arbeitsgruppe an einer Überarbeitung der Wehrdisziplinarordnung der Bundeswehr arbeite und bis Jahresende ihre Ergebnisse vorlegen will. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, dass die Bundesregierung Änderungen zu wenigen Teilaspekten bereits jetzt durch das parlamentarische Verfahren bringen wolle.
Der Kommandeur des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr, Generalmajor André Bodemann, wies darauf hin, dass der Wunsch nach größeren Spielräumen im Wehrdisziplinarrecht von vielen Disziplinarvorgesetzten geäußert werde. Dies zeige sich in Veranstaltungen und Schulungen zur Inneren Führung.
Zugleich machte Bodemann darauf aufmerksam, dass sich der Personalkörper der Streitkräfte nach Aussetzung der Wehrpflicht deutlich verändert habe. Heute kämen deutlich mehr junge Menschen in die Truppe, die mit politischen und historischen Zusammenhängen weniger vertraut seien. Sie seien weniger resilient gegenüber extremistischen Ansichten. An dieser Stelle komme es vor allem darauf an, die politische Bildung in der Bundeswehr zu verstärken.