EFI Gutachter: Deutschland bei Innovationen auf gutem Weg
Berlin: (hib/ROL) Das Gutachten zu Forschung, Innovation und Technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands der Expertenkommission Forschung und Innovation 2021, das sogenannte EFI Gutachten, stand am Mittwoch im Mittelpunkt der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Der Vorsitzende der EFI-Kommission, der Wirtschaftswissenschaftler Uwe Cantner, betonte, dass Deutschland bei der Forschungs- und Innovationspolitik insgesamt gut dastehe. Die „kluge wirtschafts- und finanzpolitische Politik der letzten Jahre biete auch jetzt in der Krise noch viele Spielräume“. Allerdings dürfe es nicht noch einmal geschehen, dass Deutschland bei Innovationsfeldern wie Quantentechnologie und Wasserstofftechnologie in den Rückstand gerate, so wie es beispielsweise bei der Künstlichen Intelligenz oder dem E-Government passiert sei.
Schwerpunktthemen des Jahresgutachtens 2021 sind die neue Missionsorientierung und Agilität in der Forschungs- und Innovationspolitik, die Anpassung der beruflichen Aus- und Weiterbildung an die digitale Transformation, die Gen-Editierung CRISPR/Cas und die Auswirkungen der Corona Pandemie, die Cantner gleich zu Beginn thematisierte. Die notwendige Stabilisierung in der Krise und die langfristige Forschungs- und Innovationspolitik miteinander in Einklang zu bringen, stelle eine besondere politische Herausforderung dar. Für den größten Teil der deutschen Unternehmen habe die aktuelle Krisensituation negative Auswirkungen, auch auf die laufenden oder geplanten Innovationsprojekte. Gerade kleine und mittlere Unternehmen seien zunehmend von der Krise betroffen.
Der Experte machte auch Mut. Nach Auffassung von Cantner und seinem Team, das aus Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtung aber überwiegend der Volkswirtschaft besteht, könne die Krise auch als Katalysator für den Übergang zu neuen Technologien genutzt werden und so zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beitragen. Allerdings setze das voraus, dass Konjunkturprogramme und wachstumspolitische Maßnahmen an Forschung und Innovation orientiert gestaltet werden. Im Gutachten betonten die Experten, dass Gesellschaft und Politik diese Ausgestaltung als Voraussetzung dafür erkennen müssten, dass große Herausforderungen wie Klimawandel, Gesundheit, soziale Ungleichheit und Resilienz auch weiterhin nur aus einem wirtschaftlich starken und gesellschaftlich breit unterstützten Forschungs- und Innovationssystem heraus angegangen werden können.
Auch wenn das Gutachten insgesamt auf positive Resonanz bei den Fraktionen stieß - ein Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach von einem „Highlight“ -, so kritisierten Vertreter der Fraktionen von FDP und Die Linke, dass die Auswirkungen der Pandemie im Gutachten zu kurz gekommen seien. Eine Vertreterin der Linken sagte: „Die Coronakrise weitet sich gerade zu einer Gesellschaftskrise aus.“ Sie regte einen EFI-Bericht zum Thema Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft an. Der FDP-Vertreter betonte, dass er sich mehr Aussagen zum Bereich Wertschöpfungsketten in der Medizintechnik und Biotechnologie bezogen auf die aktuelle Pandemiesituation gewünscht hätte.
Ein wichtiges Thema im Gutachten, das auch Cantner aufgriff, ist die „Neue Missionsorientierung“, die vor dem Hintergrund der von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 beschlossenen Millennium Development Goals (MDGs) und der im Jahr 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) entwickelt wurde. Dazu werden sogenannte Missionen formuliert, die konkrete Transformationsziele benennen und durch F&I-Projekte sowie politische Maßnahmen und Rahmensetzungen umgesetzt werden sollen. Cantner unterstrich, dass dabei die Rolle des Staates neu gedacht werden müsste, dieser solle nicht lenken, sondern vielmehr orchestrieren. Er schlug vor, die Marktorientierung bei der Neuen Missionsorientierung zu stärken und forderte mehr agiles Politikhandeln. Dabei sollen keine konkreten technologischen oder organisatorischen Lösungen für die Missionen vorgegeben werden, sondern es soll lediglich ein Korridor aufgezeigt werden, in dem der Markt für Entwicklungen und Entdeckungen genutzt werden kann.
Den Ansatz der starken Betonung auf den Markt und die daraus resultierende eher zurückgenommene Rolle des Staates hinterfragte ein Vertreter der SPD-Fraktion. Er vertrat die Ansicht, dass der Staat gerade in Bereichen, in denen es noch keinen Markt gebe, diesen durch Anreize erst schaffen müsse. Auch ein Vertreter der Grünen machte deutlich, dass eine agile Forschung auch eine agilen Staat als Partner an ihrer Seite wissen müsse. Das habe die Pandemie einmal mehr gezeigt.
Cantner ging auch auf den Bereich Personal ein. Um F&I-Politik weiterhin zu stärken, sei die Anpassung der beruflichen Aus- und Weiterbildung an die digitale Transformation wichtig. An vielen bestehenden Arbeitsplätzen würden sich die Tätigkeitsprofile verändern. Cantner sagte: „Beschäftigte sollen in Zukunft nicht erst dann weitergebildet werden, wenn sie schon arbeitslos sind.“ Ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion stimmte dem zu und unterstrich, dass auch Weiterbildung dazu führen müsste, dass es künftig mehr Ausgründungen aus Unternehmen geben müsste, also die Ausgliederung eines Betriebsteils oder auch Neugründung eines Unternehmens. Auch ein Vertreter der AfD-Fraktion forderte, die Translation in den Markt stärker in den Fokus zu stellen.
Zudem strich Cantner die Bedeutung von CRISPR/Cas heraus, einem Werkzeug zur Gen-Editierung, das unter anderem dafür genutzt werden könne, Ansätze für neue Therapien zu finden und Ursachen von Krankheiten zu entschlüsseln. Mit Hilfe von CRISPR/Cas könnten Gene verändert, aus- oder angeschaltet werden. Mindestens drei Prozent der Weltbevölkerung sind von einer Erbkrankheit betroffen, die durch den Fehler eines einzelnen Gens ausgelöst wurde, heißt es im Gutachten. Eine Korrektur dieses fehlerhaften Gens könnte die Krankheit heilen. Viele Fachleute schreiben CRISPR/Cas ein hohes Potenzial zu.
Deutschland sei in der Forschung zu CRISPR/Cas in den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen vergleichsweise gut aufgestellt, betonte Cantner. Für Erfindungen zu CRISPR/Cas, deren Nutzung für Patientinnen und Patienten sowie die Kommerzialisierung durch Unternehmen gebe es in Deutschland allerdings noch unerschlossene Potenziale. Cantner forderte, die Spitzenforschung weiter zu stärken und den Diskurs zu den Risiken und Bedenken von CRISPR/ Cas offen zu führen.